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Der Antisemit Richard Wagner bleibt verpönt

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Auch sieben Jahrzehnte nach dem Holocaust bleibt Richard Wagner in Israel ein rotes Tuch: Das erste große Wagner-Konzert in dem jüdischen Staat wurde nach wütenden Protesten von Holocaust-Überlebenden abgesagt.

Es sollte ein bahnbrechendes, historisches Ereignis in Israel werden. Doch nach wütenden Protesten von Holocaust-Überlebenden ist das groß angekündigte erste Konzert mit Werken von Richard Wagner (1813- 1883) im jüdischen Staat jetzt erst einmal abgesagt. Die Universität Tel Aviv will ihr Auditorium am 18. Juni nicht mehr für die umstrittene Veranstaltung zur Verfügung stellen. Sie wirft dem Veranstalter vor, er habe bewusst verschleiert, dass Musik des deutschen Komponisten gespielt werden soll.

Logo" class="infobox_img" />Der Komponist Richard Wagner (Archivfoto von 1877). Die Universität Tel Aviv hat auf Druck von Holocaust-Überlebenden das erste große Wagner-Konzert in Israel abgesagt. (dpa)

Auch fast 70 Jahre nach dem Holocaust ist der bekennende Antisemit Wagner in Israel kaum aufführbar. Zu sehr sitzt im kollektiven Gedächtnis die Rolle des Komponisten als Idol der Nazis, dessen Werke den Marsch der Opfer in die Gaskammern begleiteten.

Entsetzen

«In den letzten Tagen haben wir zu unserem Entsetzen erfahren, dass es sich um ein Konzert handelt, bei dem Werke des deutschen Komponisten Richard Wagner gespielt werden sollen», schrieb die Universitätsleitung an den Veranstalter Jonathan Livny, Vorsitzender der israelischen Wagner-Gesellschaft. «Diese wichtige Tatsache wurde uns gegenüber absichtlich verschleiert, genau wie das Thema der Veranstaltung und der genaue Name der Gesellschaft, die sich dahinter verbirgt.»

Livny weist diese Anschuldigungen jedoch im Brustton der Empörung als «Quatsch» zurück. Es gebe sogar einen Briefwechsel mit der Universität, aus dem deutlich hervorgehe, dass am 18. Juni Wagner-Musik gespielt werden sollte. Man habe sich im Voraus eigens um die Zustimmung des Präsidenten der Universität bemüht. Für das Konzert seien auch schon zahlreiche Karten verkauft worden. «Viele Leute kommen extra aus dem Ausland», sagte Livny.

Vergebliche Versuche

Versuche, Wagners Musik in Israels Konzertleben einzuführen, sind immer wieder gescheitert. Noch nie wurde bisher eine Oper vollständig aufgeführt. Der Dirigent und Pianist Daniel Barenboim sorgte 2001 für Proteste, als er bei einem Gastauftritt der Staatskapelle Berlin die Ouvertüre zu «Tristan und Isolde» als Zugabe spielen ließ. Vor und nach der Aufführung gab es erregte Diskussionen mit dem Publikum. Auch der Auftritt des Israel Chamber Orchestra 2011 in Bayreuth stieß auf ein geteiltes Echo.

«Ich glaube nicht, dass man Wagner mit der ‚Endlösung‘ verbinden kann», sagte Barenboim vor zwei Jahren auf einer Tagung in Berlin. Wagner sei für Adolf Hitler ein ideologisches Vorbild gewesen. «Ich kann aber nicht akzeptieren, dass er deswegen Hitlers Prophet war.» Das Werk Wagner müsse von seinen ideologischen Positionen getrennt betrachtet werden.

Symposium war geplant

Vor dem ersten Wagner-Konzert mit vollständigem Sinfonieorchester sollte in der Universität Tel Aviv auch ein Symposium zum Thema Wagner und den historischen Aspekten seiner Musik stattfinden. In der Ankündigung dazu hieß es jedoch, Wagner Musik habe ausgerechnet den wichtigsten Visionär des jüdischen Staates, Theodor Herzl, beflügelt. Auch der italienische Dirigent Arturo Toscanini, Schwiegervater des jüdischen Pianisten Vladimir Horowitz, habe es verstanden, zwischen dem Menschen Wagner und dessen Werk zu unterscheiden.

Livny, der seit Jahren für die Aufführung von Wagners Musik in Israel kämpft, ist selbst Sohn eines aus Deutschland eingewanderten Holocaust-Überlebenden. «Mein Vater hat immer gesagt: Wagner war ein widerlicher Mensch, aber er hat die beste Musik geschrieben», hatte Livny in einem früheren Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa gesagt.

Kein Hörzwang

In Erwartung der heftigen Proteste wurde das Konzert bewusst ausschließlich mit Hilfe privater Spenden und ohne öffentliche Gelder finanziert. Livny sagte immer wieder, er wolle niemanden dazu zwingen, Wagners Musik zu hören, und versuche daher auch nicht, ihre Aufführung im Rahmen von regulären Abonnementkonzerten zu erreichen. Doch auch mit diesem vorsichtigen Ansatz ist er vorerst gescheitert.

Livny ist nach der Absage frustriert, will sich aber noch nicht geschlagen geben. «Wir gehen vor Gericht», sagte er am Dienstag. Er wolle die Universität zwingen, sich an die Verpflichtung zu halten, und gleichzeitig nach einem anderen Aufführungsort suchen. «Wir suchen nach einer Lösung.»