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«Nicht alles ist Glamour»

«Nicht alles ist Glamour»

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Mitte April spielte Ivan Ljubicic sein letztes Profimatch. In Monte Carlo verlor er in Runde eins gegen Ivan Dodig und wurde danach gebührend verabschiedet. Das Tageblatt traf den Kroaten in Roland Garros, wo er seine zweite Karriere vorbereitet.

Der 33-Jährige war relativ häufig in der Presse-Bar vom Court Philippe Chatrier anzutreffen, wo er sich mit kroatischen Journalisten traf, einem Berufszweig, dem er vielleicht auch bald beitreten könnte.

Steckbrief

o Geboren am 19. März 1979 in Banja Luka (BIH)

o Wohnhaft in Monte Carlo

o Profi: 1998-2012

o Größte Erfolge: 10 ATP-Einzeltitel zwischen 2001 und 2010; Halbfinale Roland Garros 2006, Viertelfinale US Open 2006

o Bestes Ranking: 3. (1. Mai 2006)

o Bilanz (Einzel): 429 Siege – 296 Niederlagen

o Preisgeld (Einzel und Doppel): 10.169.964 $

o ATP-Spielerrat: ab 2002 Mitglied, Vizepräsident 2004-2006, Präsident 2006-2008. Wurde 2008 als Spielervertreter in die ATP-Exekutive gewählt, trat Ende Januar 2009 zurück, um Profikarriere Vorrang zu geben.

Ivan Ljubicic stellt sich als interessanter und unkomplizierter Gesprächspartner heraus. Als ehemaliger Vertreter im Spielerrat und in der ATP-Exekutive weiß die ehemalige Nummer drei der Welt auch, welche Wünsche und Forderungen die Spieler haben.

Tageblatt: Welche Pläne haben Sie für die Karriere nach der Karriere?

Ivan Ljubicic: «Ich habe einige Ideen: in Wimbledon hoffe ich, als TV-Kommentator beginnen zu können. Das ist mein Ziel. Ich will meinem Sport etwas zurückgeben.»

Kam es Ihnen nicht in den Sinn, Tennis-Coach zu werden?

«Die Rolle des Coaches hat sich in den letzten zehn Jahren sehr verändert. Damals war der Trainer die wichtigste Figur für den Spieler. Jetzt ist das anders. Heute ist der Coach mehr ein Berater. Das interessiert mich sicherlich. Aber ich will nicht 35 Wochen im Jahr reisen. Aber wenn jemand meine Hilfe benötigt, bin ich gerne dazu bereit.»

Wie sieht die Arbeit eines Trainers aus?

«Mein Coach, mit dem ich 15 Jahre gearbeitet habe (Riccardo Piatti, d. Red.), hat mir mehr auf dem mentalen Plan geholfen. Er hat mir gezeigt, wie man professionell arbeitet, hat mir in puncto Organisation sehr viel vermittelt. Du musst wissen, welche Entscheidungen du treffen musst. Er hat mich immer dazu aufgefordert, meine eigenen Entscheidungen zu treffen und dadurch eine reifere Person zu werden. Das war sein Weg. Wenn er mit einem Spieler arbeitet, dann war das langfristig angelegt.»

Welche Entwicklung hat das Profileben in den letzten Jahren genommen? War es einfacher oder schwieriger zu Ihren Anfängen Ende der 90er Jahre?

«Es wird immer schwieriger sein, auch in fünf, zehn Jahren. Der Unterschied zu vor zehn Jahren ist, dass die Spieler professioneller geworden sind.»

2011 haben Sie in Metz gegen Gilles Muller im Halbfinale gewonnen. Was ist er für ein Spieler?

«Es war ein sehr schwieriges Match: in der Runde vorher hatte er Richard Gasquet ausgeschaltet. Gilles hat sehr gut gespielt. Für mich war es 2011 das Spiel, wo ich am besten aufgeschlagen habe. Ich war mental wohl besser drauf. Gilles spielt immer besser auf großer Bühne, bei wichtigen Matches. Und ich habe mich gefragt: Warum ist dieser Junge nicht besser klassiert? Wahrscheinlich hat er in den tiefer eingestuften Turnieren nicht die richtige Motivation gehabt oder er fand nicht den richtigen Impuls.»

Was macht Talent, Arbeit und das Mentale bei einem Profi aus?

«100%, 100%, 100%. Wenn dir einer dieser Punkte fehlt, kannst du nicht erfolgreich sein. Die guten Spieler haben keine Schwäche. Wenn man mich fragt: Wie schlägt man Djokovic? Es gibt kein Rezept. Du musst in allen Bereichen top sein.»

Wie lange wird die Konkurrenz unter den Top 4 noch andauern?

«Sie werden noch einige Jahre dabei sein, vor allem die Jüngeren. Roger kann sein Niveau sicherlich noch drei Jahre halten. Hoffentlich bleibt er verletzungsfrei. Wenn du dich den Top 4 annähern willst, musst du zwölf Monate für Tennis leben. Einige Spieler sind zwei, drei Monate sehr fokussiert und dann bauen sie aber ab. Das geht nicht.»

Was ist das Rezept von Djokovics Erfolg?

«Er ist sehr entschlossen. Als ich ihn zum ersten Mal getroffen habe, war er 17 Jahre jung und wir haben zusammen trainiert. Ich habe damals gesehen, dass er immer geglaubt hat, die Nummer eins der Welt zu werden. Und darum ist er die Nummer eins. Seine Grundlinienschläge sind gut, aber Juan Martin Del Potro und Tomas Berdych haben sicherlich ‹größere› Schläge. Aber Novak ist die Nummer eins: das zeigt seine mentale und physische Fitness.»

Wie besiegt man Rafael Nadal auf Sand?

«Es ist möglich. Aber du musst jeden Punkt mit höchster Konzentration spielen, vor allem hier in Roland Garros, wo es über fünf Sätze gehen kann. Djokovic hat das Ende 2011, Anfang 2012 sehr gut gemacht. Jetzt habe ich das Gefühl, dass er seinen Fokus etwas verloren hat.»

„Streik zu drastisch“

In Roland Garros und Wimbledon gab es eine Preisgelderhöhung, vor allem für die Verlierer der ersten und zweiten Runde.

«Darüber könnten wir sehr lange diskutieren. Viele Leute verstehen nicht, welche Ausgaben und Opfer die Spieler machen müssen. Wenn du in Runde eins verlierst, bekommst du 20.000 Euro. Dann bezahlst du Steuern, den Trainer, Hotel, Flüge, Essen, Manager, Physiotherapeut. Ich kann dir versprechen: Es gibt nicht viele Leute, die Geld machen mit einer Erstrundenniederlage. Deshalb ist es sehr wichtig, dass Roland Garros und Wimbledon diesen Schritt gemacht haben. Sie haben eingesehen, dass es ein Bedürfnis gibt, den Spielern mit weniger guten Rankings zu helfen.»

Einige Spieler, wie Murray, drohten mit Streik.

«Das war zu drastisch. Aber ich würde eine Gruppe auf die Beine stellen, die mit den Verantwortlichen der Grand Slams spricht. Die Topspieler müssen involviert sein und sie können etwas bewegen. Ich spüre, dass der Wille vorhanden ist. Sie müssen den ersten Schritt machen. Ich denke, dass es nie so weit kommen wird, dass die Spieler nicht auf den Platz gehen werden. Aber es ist wichtig zu zeigen, dass nicht alles nur Glamour ist.Wir waren sehr seriös bei unseren Forderungen und wir haben nichts gefragt was wir nicht verdient haben.»

Sie sind großer Fußballfan. Wie schneidet Kroatien bei der EM ab?

«Es ist eine sehr schwierige Gruppe mit Spanien, Italien und Irland. Das erste Spiel gegen Irland wird sehr wichtig sein: da müssen wir unbedingt gewinnen. Sonst wird es schwierig werden.»