Dienstag9. Dezember 2025

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Musik wie Kleinfeldtennis

Musik wie Kleinfeldtennis

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Der Ball fliegt vom einen zum anderen, mal von hinten durch die Beine, mal angeschnitten, mal als Vorlage für den Partner. Sie spielen Musik wie Tennis. Im Kleinfeld. Mit viel Gefühl, Präzision und Freude am Improvisieren.

Seit mehr als 20 Jahren sind sie befreundet, die beiden Legenden des Jazz, Bobby McFerrin und Chick Corea. Hat man das Vergnügen, sie gemeinsam auf der Bühne zu erleben, dann bekommt man nicht nur Jazz vom Feinsten zu hören, sondern wird vor allem davon überzeugt, dass Musik ein wunderbares Kommunikationsmittel ist. Und das tut immer wieder gut.

Info
www.philharmonie.lu

In Jeans und T-Shirts

In Jeans und T-Shirts, der eine ein blaues, der andere ein schwarzes, schlappen sie herein. Chick Corea setzt sich ans Klavier, Bobby McFerrin hinter ihn – und los geht es. Bobby McFerrin zeigt sofort, dass sein gesamter Körper ein einziges Musikinstrument ist: Er singt und summt, zischt und trillert, klatscht und keucht, er jongliert zwischen sämtlichen Stimmlagen, mal klingt er wie ein Saxofon, mal wie ein Bass, mal wie eine Trommel.

Dass Bobby McFerrin mit seiner Stimme nahezu jeden instrumentalen Klang imitieren kann, hat er am Sonntagabend wieder eindrucksvoll bewiesen. Und dass er damit – „Don’t worry, be happy“, sein Hit von 1988, landete sofort in den Pop-Charts – die Brücken zwischen Jazz und Pop, ja gesamte Konventionen des Konzertbetriebes sprengen kann, auch.

Chick Corea, der den Jazz seit über 30 Jahren durch eine sich ständig erneuernde Kreativität kontinuierlich beeinflusst und sicherlich einen ähnlichen Stellenwert genießt wie Herbie Hancock oder Keith Jarrett, hält sich zurück. Er hört zu. Begleitet und liefert seinem Freund Vorlagen für Schmetterbälle. Um diese dann einzusammeln und weiterzuentwickeln. Jeder Song ist wie ein Ballwechsel, allerdings geht es nicht um das Schlagen des Gegners, sondern einzig und allein darum, gemeinsam den schönsten Ballwechsel aller Zeiten zu kreieren. Oder anders: Mit der Musik nicht nur Räume zu füllen, sondern neue zu schaffen. Ihr Zusammenspiel sprüht nur so vor Magie, man bekommt das Gefühl, der eine weiß im Voraus, was der andere vorhat. Sie ergänzen sich wunderbar, können sich aber auch noch überraschen.

Die Philharmonie: Ein Wohnzimmer

Als die beiden Musiker dann ihr Spiel erweitern, das Publikum mit einbeziehen und sogar Zuschauer einzeln auf die Bühne bitten – zuerst H., dann A. und dann die wunderbare Lucie – verwandelt sich die Philharmonie endgültig in ein Wohnzimmer. Jeder einzelne Moment zählt, jeder Ton gibt den Auftakt für den nächsten, behutsam entfaltet sich die Musik und schafft eine ruhige, entspannte Atmosphäre. Wie im Kleinfeld. Doch ohne Grenzlinien. Und vor allem ohne Zwang, die Musik entwickelt sich wie von selbst.

Freiheit ist, „wenn jede Konstruktion aufhört und nur noch Kommunikation übrig bleibt“, soll Chick Corea einmal gesagt haben. Nichts wirkte am Sonntagabend konstruiert, dafür wurde wunderbar kommuniziert. Zwischen Bobby McFerrin und Chick Corea, aber auch zwischen den Musikern und dem Publikum – ungefähr zwischen acht und achtzig Jahren alt –, das dann auch mit einem ansteckenden Freiheitsgefühl glücklich nach Hause ging.