Die linken Parteien in der Großregion wehren sich dagegen, dass der multinationale Konzern ArcelorMittal im Mosel-Département, in Luxemburg und in Wallonien nach und nach seine Anlagen schließt und Lothringen „desindustriealisiert“. Die Lebensfähigkeit der Anlagen in den drei Regionen sei durch Gutachten nachgewiesen. Sie stünde nicht zur Debatte. Einzig und allein die Finanzstrategie des Multikonzerns ArcelorMittal stünde zur Debatte, heißt es in einer Entschließung, die von gut 40 Teilnehmern eines ganztägigen Seminars im lothringischen Algrange angenommen wurde.
Erstmals trafen sich die Linken aus der Großregion zu einem solchen ganztätigen Seminar. Beteiligt waren die kommunistische Partei Frankreichs (PCF), Front de Gauche, Mouvement de Gauche, „Die Linke“ aus Deutschland und Dei Lénk aus Luxemburg. Von den Gewerkschaften waren der luxemburgische OGBL, die französische CGT und der belgische FTGB in Algrange vertreten. Die politischen Parteien und die Gewerkschaften waren prominent vertreten. Für die CGT sprachen Yves Fabbri aus Florange und Jacky Masceli aus Gandrange. Der OGBL war durch Jean-Claude Bernardini vertreten, Die Lenk mit Yves Foetz, dem Wirtschaftsfachmann der Luxemburger Linken aber auch durch Serge Urbany. Der prominenteste Vertreter der linken europäischen Szene war Professor Heinz Bierbaum aus dem Saarland, Mitglied des geschäftsführenden Parteivorstandes der Linken in Berlin, Mitglied des saarländischen Landtages und parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion der Linken im saarländischen Landtag.
Das Besondere am Seminar
Das war das Besondere an diesem Seminar: Alle linken Vertretungen in der Großregion sind auch in den jeweiligen Regionalparlamenten vertreten. Bei dem Treffen in Algrange handelte es sich also nicht um sektiererische Gruppen, sondern Parteien mit parlamentarischer Legitimierung.
Der Luxemburger Jean-Claude Bernardini stellte zunächst die Situation in Luxemburg dar, um dann zu einer Analyse der Situation anzusetzen, die von den französischen Vertretern zuvor nicht erfolgt war. Man habe in allen Regionen dieselben Sorgen, die deswegen auch gemeinsame Sorgen seien. Es handele sich dabei um Delokalisierungen, um die Entwicklungen in den Schwellenländern, um die Produktivität und letztlich um die technologische Innovation. ArcelorMittal sehe die gegenwärtige Krise als eine strukturelle Krise an, wende sich teilweise vom Stahl ab und den Grundstoffen zu, auf die man im Konzern mehr Aufmerksamkeit als auf den Stahl verwende. Man müsse sehen, dass derzeit die Auseinandersetzung um den Vorrang der Standorte geführt werde, wobei die maritimen Standorte wie Dünkirchen den kontinentalen Standorten wie Florange vorgezogen würden. Zu den Trümpfen, die man hierzulande aber in der Hand halte, gehörten Kompetenzen in Produktion und Forschung, aber auch genügend Schrott, um ein elektrisches Stahlwerk zu betreiben.
Es gibt Alternativen
Hier setzte die französische CGT ein. Jacky Mascelli erzählte den Anwesenden, dass die Gewerkschaft Studien besitze, wonach am Standort des stillgelegten Elektrostahlwerks Gandrange ein neues Elektrostahlwerk für einen Erstellungsaufwand von 150 Millionen Euro durchaus lebensfähig wäre. Man habe die Pläne allen Räten in Lothringen vorgestellt, alle fänden sie gut, aber niemand, auch die Banken nicht, gäbe Geld dafür her. Mascelli machte überdeutlich, warum seine Gewerkschaft für ein neues Elektrostahlwerk in Gandrange kämpft: Die zum alten Stahlwerk gehörende Walzstraße sollte aus Hamburg versorgt werden, bekommt mittlerweile Vorprodukte aus Polen. Die Arbeiter werden seit Kurzem mit Kurzarbeit konfrontiert. Die Furcht in Lothringen ist, dass nun nach und nach der Walzstraße in Gandrange das Licht ausgeblasen wird. Und die weitere Angst heißt: In Florange könnte es genauso kommen, wenn die Hochöfen verkauft oder ausgeblasen werden. Dann wären, so CGT-Sekretär Yves Fabbri, in Florange 2.000 Arbeitsplätze bedroht.
Jean Claude Bernardini verlangte in diesem Zusammenhang, dass in Europa die Politik die Sache in die Hand nimmt. Es bedürfe Regelen für die Industrie und die Wirtschaftspolitik. Man müsse weiter den Sozialdialog verbessern und letztlich müssten die Mitarbeiter mehr Mitspracherecht im Unternehmen bekommen.
Saarländer Modell
Das in der Großregion in diesem Zusammenhang immer wieder diskutierte Modell des Saarlandes komme aber nur bedingt infrage, erklärte seinerseits Professor Bierbaum. Im Saarland gehören zwei Spitzenunternehmen der deutschen Stahlindustrie dem Staat. Bierbaum, ehemaliger Bevollmächtigter der IG Metall in Frankfurt: „Hier ist unter einer Stiftung, deren Kapital dem Staat gehört, ein kapitalistisches Unternehmen entstanden. Die Dividenden sind ganz gering, sodass der Gewinn immer wieder ins Unternehmen geht. Eine Eigenkapitalquote von 60 Prozent lässt dann das Unternehmen auch eine Durststrecke überstehen, ohne Mitarbeiter zu entlassen.“ Bierbaum wies dies mit einer Reihe von Grafiken nach. Den wesentlichen Punkt im Bezug auf ArcelorMittal sprach er nur verdeckt an. Wolle man dies bei ArcelorMittal durchführen, müsse man die Eigentümerstruktur verändern. Im Saarland konnte man diese Lösung wählen, weil sich Saarstahl in den 90er Jahren im Konkurs befand.
Die Luxemburger Linken legten dazu eine Studie vor: „Bei einer Übernahme von Teilen eines Konzerns darf ein Staat Hilfe leisten. Das widerspricht nicht dem Europarecht. Dieses erlaubt solche Übernahmen, die an sich nicht als staatliche Hilfe betrachtet werden. Der Vertrag von Lissabon erlaubt Enteignungen.“
Sowohl Parteien als auch Gewerkschaften wandten sich während des Seminars immer wieder an den Staat, der Situationen wie die in Florange lösen müsse. Aber insgesamt wurde in Algrange auch deutlich, dass man einem Konzern wie ArcelorMittal in der gegenwärtigen Situation doch recht hilflos gegenübersteht.
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