Dem Radsport-Weltverband UCI mit seinem aktuellen Chef Pat McQuaid und dem Ehrenpräsidenten Hein Verbruggen stehen stürmische Zeiten ins Haus. Dabei droht der UCI wahrscheinlich mehr Gefahr durch die eingereichte Klage des Ex-Profis und Journalisten Paul Kimmage (siehe „T“ von Freitag) als durch eine Untersuchungskommission, deren Zusammensetzung der Verband beeinflussen könnte. Mitte der kommenden Woche soll die Organisation benannt werden, die die Mitglieder des Untersuchungsgremiums aussuchen soll. Das bestätigte UCI-Sprecher Enrico Carpani am Freitag.
„Der UCI droht Ungemach“, vermutet der deutsche Sportrechtler Siegfried Fröhlich. „Wenn sich die UCI unter ihrem Präsidenten McQuaid in einem Prozess nach der Klage durch Paul Kimmage entlasten muss – dann Gnade Gott dem Verband“, sagte der Jurist am Freitag der Nachrichtenagentur dpa. Fröhlich rechnet mit einem Verfahren in der Schweiz: „Wenn die Klage gut begründet ist – und davon gehe ich aus –, wird es sicher zu einem Prozess kommen, in dem auch die Grundlagen der Vorwürfe überprüft werden.“
Klage
Der Ex-Profi und ehemalige Tour-de-France-Teilnehmer Paul Kimmage hatte in Vevey in der Schweiz, in direkter Nachbarschaft des UCI-Sitzes, eine Klage gegen McQuaid und dessen Vorgänger Verbruggen eingereicht. Wie Kimmage-Anwalt Cédric Aguet mitteilte, soll gegen die umstrittenen Funktionäre „wegen Rufmords, Verunglimpfung und starken Betrugsverdachts“ vorgegangen werden.
Die UCI hatte im Zuge der Bestrafung des einstigen Tour-Seriensiegers Lance Armstrong angekündigt, ihre Klage gegen Kimmage zurückzuziehen. Der streitbare Ire, für den Sympathisanten für die Kosten der Verteidigung nach der UCI-Klage bereits 85.000 Dollar gesammelt hatten, hatte den Verband der Korruption bezichtigt. Laut Fröhlich würden in einem Verfahren Kimmage contra UCI-Spitze wahrscheinlich auch die Korruptionsvorwürfe in Zusammenhang mit den Zahlungen des inzwischen wegen Dopings lebenslang gesperrten Armstrong an die UCI in Gesamthöhe von 125.000 Dollar zur Sprache kommen.
„Alibi-Veranstaltung“
Die von der UCI angekündigte Bildung einer „unabhängigen Kommission“, die die Rolle des Verbandes vor dem Hintergrund der jahrelang unentdeckten Doping-Praktiken Armstrongs untersuchen soll, hält Fröhlich für eine „Alibi-Veranstaltung“. Er gehe davon aus, dass nur dem Verband genehme Personen darin vertreten sein werden, es sei denn, das Gremium würde von außen berufen. Dafür kämen beispielsweise die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International, das IOC oder die Welt-Antidoping-Agentur WADA in Frage.
Diese hat am Freitag mitgeteilt, dass sie keinen Einspruch gegen das Urteil der Usada im Fall Armstrong einlegen werde. Fröhlich bleibt allerdings skeptisch. „Ein Verband, der so tief im Morast steckt, wird niemals eine glaubwürdige Selbstreinigung betreiben können“, meinte der Sportrechtler, der forderte: „Es muss Tabula rasa bei den Personen an der Verbandsspitze gemacht und ein Konzept für die Zeit danach präsentiert werden.“ Fröhlich weiter: „Vielleicht wäre es das Beste, einen Gegenverband zu gründen.“
Regenwetter will Neuanfang
Dass der Radsport Tabula rasa machen muss, glaubt auch FSCL-Präsident Jean Regenwetter, der zuletzt nicht mit Kritik an der UCI sparte und diese Woche sowohl in der Revue als auch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Klartext sprach. In der Revue erklärt Regenwetter, dass wichtige Probleme wie z.B. die Dopingbekämpfung oft nur am Rande eines UCI-Kongresses erwähnt würden und die nationalen Verbände quasi kein Mitspracherecht hätten. „Niemand ist ernst genommen worden“, kritisiert der FSCL-Präsident den Dachverband. Regenwetter steht mit seiner Kritik aber nicht alleine da.
Wie er der FAZ verriet, hat der niederländische Radsportpräsident Marcel Wintels einen Brief an die UCI geschrieben, in denen er die gleichen Anschuldigungen erhebt wie Regenwetter und ebenfalls einen Neuanfang fordert. Der FSCL-Präsident ist der Meinung, dass Wintels zugleich ein guter Kandidat auf die Nachfolge von Pat McQuaid wäre.
Was den Fall Frank Schleck angeht, glaubt Regenwetter an die Verschwörungstheorie. Er ist fest davon überzeugt, dass jemand ihm das Diuretikum untergejubelt hat, erklärt er im Revue-Interview. Zugleich betont er, dass man für eine Null-Toleranz-Regelung stehe und er der Meinung ist, dass die ALAD und der „Conseil de discipline contre le dopage“ ihre Aufgabe in voller Transparenz und Glaubwürdigkeit erfüllen werden. Unabhängig davon, wie das Urteil im Fall Frank Schleck lauten wird, lässt Regenwetter den Fahrer auf menschlicher Ebene nicht fallen.
Während der Druck auf die UCI-Spitze also immer weiter zunimmt, wenden sich immer weitere Personen von Armstrong ab. So z.B. Alberto Contador, der noch vor wenigen Tagen Armstrong öffentlich bedauerte und sagte, er sei „gedemütigt und gelyncht worden“. Nun erklärte Contador in einem Interview mit der spanischen Sportzeitung Marca, dass „die Strafe gegen Armstrong gerecht ist, schließlich ist er schuldig“.
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