Sebastian Vettel hat im unfassbaren Formel-1-Finale von São Paulo mit unglaublicher Nervenstärke im demolierten Red Bull den historischen WM-Hattrick perfekt gemacht. Der Heppenheimer ließ sich auch von einem Unfall nach wenigen Metern und dem letzten Platz nicht bremsen und läutete beim Abschiedsrennen von Rekordweltmeister Michael Schumacher endgültig eine neue Ära ein.
Formel 1 in Zahlen
Grand Prix von Brasilien, in São Paulo (71 Runden à 4,309 km/305,909 km):
1. Jenson Button (England) McLaren Mercedes 1:45:22,656 Std. (Schnitt: 174,179 km/h); 2. Fernando Alonso (Spanien) Ferrari + 0:02,754 Min.; 3. Felipe Massa (Brasilien) Ferrari + 0:03,615; 4. Mark Webber (Australien) Red Bull + 0:04,936; 5. Nico Hülkenberg (Emmerich) Force India + 0:05,708; 6. Sebastian Vettel (Heppenheim) Red Bull + 0:09,453; 7. Michael Schumacher (Kerpen) Mercedes + 0:11,900; 8. Jean-Eric Vergne (Frankreich) Toro Rosso + 0:28,653; 9. Kamui Kobayashi (Japan) Sauber + 0:31,250; 10. Kimi Räikkönen (Finnland) Lotus + 1 Runde; 11. Witali Petrow (Russland) Caterham + 1 Runde; 12. Charles Pic (Frankreich) Marussia + 1 Runde; 13. Daniel Ricciardo (Australien) Toro Rosso + 1 Runde; 14. Heikki Kovalainen (Finnland) Caterham + 1 Runde; 15. Nico Rosberg (Wiesbaden) Mercedes + 1 Runde; 16. Timo Glock (Wersau) Marussia + 1 Runde; 17. Pedro de la Rosa (Spanien) HRT + 2 Runden; 18. Narain Karthikeyan (Indien) HRT + 2 Runden; 19. Paul di Resta (Schottland) Force India + 3 Runden.Ausfälle:
Sergio Perez (Mexiko) Sauber (1. Runde); Bruno Senna (Brasilien) Williams (1. Runde); Pastor Maldonado (Venezuela) Williams (2. Runde); Romain Grosjean (Frankreich) Lotus (6. Runde); Lewis Hamilton (England) McLaren Mercedes (55. Runde).Schnellste Rennrunde:
Lewis Hamilton (McLaren Mercedes) 1:18,069 Min.Pole Position:
Lewis Hamilton (McLaren Mercedes) 1:12,458 Min.Fahrer-Wertung, Endstand nach 20 Rennen:
1. Sebastian Vettel 281 2. Fernando Alonso 278 3. Kimi Räikkönen 207 4. Lewis Hamilton 190 5. Jenson Button 188 6. Mark Webber 179 7. Felipe Massa 122 8. Romain Grosjean 96 9. Nico Rosberg 93 10. Sergio Perez 66 11. Nico Hülkenberg 63 12. Kamui Kobayashi 60 13. Michael Schumacher 49 14. Paul di Resta 46 15. Pastor Maldonado 45 16. Bruno Senna 31 17. Jean-Eric Vergne 16 18. Daniel Ricciardo 10.Team-Wertung, Endstand nach 20 Rennen:
1. Red Bull 460 2. Ferrari 400 3. McLaren Mercedes 378 4. Lotus 303 5. Mercedes 142 6. Sauber 126 7. Force India 109 8. Williams 76 9. Toro Rosso 26.
Vettel holte als Sechster beim Großen Preis von Brasilien am Sonntag die nötigen Punkte, um seinen bärenstarken Widersacher Fernando Alonso im denkwürdigen Zitterrennen von Interlagos in Schach zu halten. Dem Spanier reichte Platz zwei nicht, um die 14 Punkte Rückstand auf Vettel aufzuholen.
Der deutsche Dominator ist mit 25 Jahren und 145 Tagen der jüngste Dreifach-Weltmeister der Formel-1-Geschichte und der erst dritte Pilot nach Juan Manuel Fangio und Schumacher, der dreimal nacheinander die WM-Trophäe gewann. Den Sieg beim letzten WM-Lauf 2012, der das ultimative i-Tüpfelchen auf eine verrückte Saison war, sicherte sich Jenson Button vor Alonso und dessen Ferrari-Teamkollege Felipe Massa. Formel-1-Ikone Schumacher verabschiedete sich nach 308 Grand Prix und insgesamt sieben WM-Titeln mit dem siebten Rang.
Dramatik pur
Die Dramatik begann, als die Roten Ampel den Weg für das Finale furiose frei machte. Unmittelbar zuvor hatte Vettel noch auf «business as usual» zu machen versucht: «Heute ist das letzte, sonst unterscheidet sich das Rennen nicht von den anderen.» Was dann aber in den ersten der insgesamt 71 Runden im Autodromo Carlos Pace passierte, hatte Seltenheitswert. Vettel kam schlecht von seinem vierten Startplatz weg. Im Gegensatz zu Verfolger Alonso, der sich von Platz sieben auf den dritten Rang hinter Pole-Mann Hamilton und dessen Teamkollegen Button katapultierte.
Und dann das: Bruno Senna rappelt mit seinem Williams ungestüm in einer Linkskurve in Vettels Rennwagen. Der Heppenheimer dreht sich und musste hilflos mitansehen, wie das gesamte Feld vorbeirast. «Einer hat mich getroffen», funkte Vettel hörbar geschockt und mit fast weinerlicher Stimme an seine Teamleitung. In Vettels Heimat Heppenheim herrschte beim Public Viewing blankes Entsetzen. Denn alle wussten: Zu diesem Zeitpunkt war der WM-Titel futsch. Alonso konnte seine Position erstmal auch dank seines fahrenden Geleitschutzes Felipe Massa im zweiten Ferrari verteidigen.
Aufholjagd
Für Vettel, dessen Wagen auf der Höhe des Auspuffs auf der linken Seite demoliert war, begann die Aufholjagd zum Titel. Wie bei seiner famosen Fahrt in Abu Dhabi rollte er das Feld auf leicht feuchter Strecke von hinten auf. Von der Box kam die Beruhigung: Mit deinem Wagen ist alles okay. Und schon in Runde fünf wendete sich das Blatt zu seinen Gunsten. Alonso hatte sich verbremst und musste seinen dritten Rang wieder abgeben. Derweil rammte aber der Japaner Kamui Kobayasi in seinem letzten Sauber-Auftritt Vettels Teamkollegen Mark Webber – Glück für Alonso, der dadurch wieder vorrückte.
Dann wechselten die beiden WM-Duellanten wegen der feuchten Strecke auf Intermediates-Reifen. Das Rennen wurde auch noch zur befürchteten Wetter-und Reifenlotterie. Als beide wieder auf die Trockenreifen umstiegen, reihte sich Vettel als Fünfter einen Platz hinter Alonso ein. Allein der Kampf um den Titel bannte die 80 000 Zuschauer entlang der 4,309 Kilometer langen Strecke.
Furore
Dabei sorgte zwischenzeitig ein anderer Deutscher wieder für Furore: Nico Hülkenberg schnappte die Führung in seinem letzten Rennen für Force India. Schon 2010 hatte er in Sao Paulo, damals im Williams, mit seiner Premiere-Pole für mächtig Schlagzeilen gesorgt. Diesmal schnappte sich der Emmericher den Ex-Weltmeister Button, der zuvor Pole-Mann Hamilton überholt hatte. Die beiden fuhren dem Feld 47 Sekunden voraus – sie hatten auf einen Reifenwechsel verzichtet.
Dann klagte auf einmal Alonso: «Das liegen zu viele Teile auf der Strecke.» Nico Rosberg hatte es zu spüren bekommen, er fuhr über ein Karossiere-Bruchstück und holte sich im Mercedes einen Platten. Die Rennleitung reagierte und schickte das Safety-Car auf die Strecke. Kaum war es wieder freigegeben, drohte Vettel zwischen Kobayashi und Webber zerquetscht zu werden. Webber wich aus, Kobayashi raste aber an Vettel vorbei.
Geschafft
Dann gab Hülkenberg dem Rennen eine neue Wende: Er crashte in den Wagen von Hamilton. Hamilton fiel hinter Alonso zurück, der Spanier war auf WM-Kurs. Es wurde nasser und noch rasanter. Vettel reagierte, aber die Boxencrew bekam das rechte Vorderrad nicht schnell genug drauf. Vettel verlor weitere Sekunden. Auch Alonso wechselte und reihte sich als Vierter wieder ein.
Elf Runden vor Schluss – längst war bei Vettel auch noch der Funk ausgefallen – fuhr die WM-Trophäe wieder bei dem Hessen mit. Er lag auf Rang sieben, Alonso auf dem dritten Platz, ehe ihn aber Massa vorbeiließ. Vettel überholte kurz danach Schumacher, und nach einem weiteren Unfall musste das Safety Car raus. Überholen war damit unmöglich. Und Vettel hatte es nach 309,505 Kilometern geschafft.
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