Rund 100 Jahre lang hat der Steinkohlebergbau am Niederrhein Tradition gehabt. Zu Weihnachten ist Schluss. Am 21. Dezember fördern die Kumpel die letzte Kohle aus der Tiefe, am 31. Dezember schließt die letzte Niederrhein-Zeche, das Bergwerk West. Zwei Jahre zuvor hatten bereits die Bergleute auf Walsum in Duisburg die letzte Schicht gefahren. Nach dem Saarland in diesem Sommer stellt damit die zweite Region innerhalb von Monaten den Bergbau ein. Dann wird Steinkohle in Deutschland nur noch im Ruhrgebiet und im nördlichen Münsterland gefördert.
" class="infobox_img" />Am 31. Dezember: Der letzte Abstieg. (dpa)
Einheimische Steinkohle mit Fördertiefen von 1000 Metern und mehr und den teuren Sicherheitsstandards beim Abbau ist seit vielen Jahren international nicht mehr konkurrenzfähig. Die milliardenschweren Subventionen für die deutschen Zechen müssen nach EU-Recht Ende 2018 eingestellt werden. Derzeit wird gerade noch rund ein Fünftel der in Deutschland verbrauchten Steinkohle im Land gefördert. Tief unter der Erde schlummern aber in allen jetzt geschlossenen Zechen – auch in Kamp-Lintfort – nicht gehobene Steinkohlevorräte für Jahrzehnte.
Zechenwechsel
Die Kumpel vom Niederrhein wechseln auf die verbleibenden drei Zechen Prosper Haniel in Bottrop, Auguste Victoria in Marl und auf die Anthrazit-Zeche in Ibbenbüren am Rande zu Niedersachsen. Wer alt genug ist, geht in den Vorruhestand, die sogenannte Anpassung, die im Bergbau frühestens mit 50 Jahren möglich ist. Der Prozess hat bereits begonnen. Am Ende werden 890 Bergleute dieses Vorruhestandsangebot nutzen, 1600 wechseln auf andere Zechen.
Begeistert ist vom vorzeitigen Arbeitsende niemand so richtig. «Man muss noch nebenbei ein bisschen arbeiten gehen», meint Betriebsrat Christian Brettschneider, der gerade mit Jörg Nieswand unter Tage die Bewetterung überprüft. «Man muss noch etwas anderes machen. Man kann ja nicht jeden Tag in die Wirtschaft gehen.»
Weniger Verdienst
Bis zu 400 Euro dürfen die Bergleute in der Anpassungsphase nebenbei verdienen. 400 bis 600 Euro habe man etwa weniger in der Tasche, meint Betriebsschlosser Jürgen Kinscher. Er ist auf 880 Meter Tiefe damit beschäftigt, Material zu bergen, das noch auf anderen Zechen gebraucht oder ins Ausland verkauft werden kann. Den Pütt ausrauben nennen das die Bergleute. Kinscher will später Taxi fahren. Um nichts zu tun, fühlt er sich zu jung. Jetzt ist er 49. Wenn das Bergwerk West unter Tage leergeräumt ist, wird er 50 sein.
Viele sind gerade in dem Alter, wo die Kinder größer sind und vielleicht auch studieren. Da brauchen die Familien besonders viel Geld. Die Freude, dass die Männer nicht mehr nach unten müssen, sei deshalb auch nur eingeschränkt, meint Kumpel Nieswand. Völlig ungefährlich ist der Kohleabbau auch heute nicht. Und einig sind sich alle: «Die Zeche ist Knochenarbeit. Sie hinterlässt Spuren am Körper», sagt Kinscher, und die anderen nicken dazu.
Nach sieben Jahren ist Schluss
Höchstens sieben Jahre bleibt den Jüngeren noch Arbeit im Steinkohlebergbau. Ende 2018 muss nach dem politisch entschiedenen Ausstieg die subventionierte Förderung spätestens beendet sein. Dann wird noch etwa ein Jahr benötigt, um mit einem kleinen Team die Zechen auszurauben und zu schließen. Zugangsschächte werden dann zugeschüttet, die Hohlräume tief unten laufen voll Wasser – auch die Strecke an der die Bergleute aktuell arbeiten.
Über Tage werden die Zechengelände für neue Aufgaben vorbereitet. In Kamp-Lintfort entsteht auf einem Teil des Geländes eine Hochschule. In der Stadt werden auch dringend neue Gewerbegebiete gebraucht. Da kann das Bergwerk allein 33,4 Hektar bieten. Wenn Zechen eins haben, dann ist das Platz.
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