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Ein Déjà Vu für ArcelorMittal

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Die Region Wallonien will sich bemühen, einen Käufer für die ArcelorMittal Anlagen in Wallonien zu finden, die das Stahlunternehmen schließen will.

Geht ArcelorMittal in Liège den Weg, den das Unternehmen auch im lothringischen Florange beschreiten musste? Der wallonische Wirtschaftsminister Jean-Claude Marcourt hat am Freitagmorgen angekündigt, dass er Käufer für die Anlagen finden wolle, die ArcelorMittal in Liège stillegen will. Marcourt will sich dazu Rat vom französischen Minister für die Wiederherstellung von Arbeitsplätzen, Arnaud Montebourg, holen und will zusammen mit Montebourg für eine europäische Abwehrfront gegen Mittal arbeiten.

In Liège haben die Proteste der Arbeiter erst am Tag nach der Ankündigung begonnen. Am ersten Tag lautete die Reaktion noch, dass man das mehr oder weniger erwartet habe. Am Tag nach der Ankündigung fuhren die Stahlwerker in Bussen nach Brüssel, um vor dem Regierungssitz zu demonstrieren. Man solle die Busse bevorzugt durchlassen, schlugen Moderatoren im belgischen Fernsehen und Rundfunk vor. Dafür blockierten die Stahlwerker dann den Brüsseler Berufsverkehr und suchten die Auseinandersetzung mit der Polizei, die den Regierungssitz schützte.

Di Rupo entzürnt nach Gespräch mit Mittal

Die wallonische und die belgische Zentralregierung tagten am Freitag früh. Der belgische Premierminister Elio di Rupo hatte den Weltwirtschaftsgipfel in Davos am Donnerstag erzürnt nach einem Gespräch mit Lakshmi Mittal verlassen. Mittal hatte ihm in einem Gespräch erklärt, „dass die Türen verschlossen“ seien, dass er aber bereit sei für soziale Lösungen für die 1.300 Beschäftigten, die betroffen seien von der Schließung der Breitband Straße, der Verzinkungsanlagen, der Kokerei und der Galvanisationsstraßen. ArcelorMittal will in Liège die Walzstraßen Spezialstahl weiter arbeiten lassen. Der wallonische Wirtschaftsminister sagte auf Bel RTL, dass er sich zwei Monate gebe, um einen Kandidaten für die Übernahmen zu suchen. Er habe so seine Ideen dazu. Egedio di Pansilo vom Gewerkschaftsbund FTGB forderte, dass man Mittal enteignen und die Stahlindustrie in Liège nationalisieren sollte.

Das zweite französische Fernsehprogramm und eine Radiostation haben am Freitag früh die Mikrofone für die Bürger geöffnet, die ihrem Unmut Luft machten. Es seien viele Beschimpfungen eingegangen, sagte der Moderator. Beschimpfungen, die nicht veröffentlicht wurden. Allerdings gab es auch eine Reihe von anderen Bemerkungen wie diese: Wir würden Mittal nicht einmal in der Hölle akzeptieren. Er würde dort die Öfen ausblasen“.

Marcourt lehnt Schließung der Anlagen ab

Wirtschaftsminister Marcourt zeigte einerseits Verständnis dafür, dass die Stahlindustrie sich in einer Krise befände, lehnt die Schließung der Anlagen andererseits ab. Der Generaldirektor von ArcelorMittal in Luxemburg, Michel Wurth, hatte bei dem Presseempfang zum Beginn von 2013 erklärt, dass man sich in einer Strukturkrise der Stahlindustrie befände. Der ehemalige Arbed-Generaldirektor Joseph Kinsch hatte in einem Interview anlässlich der Feiern zu 100 Jahre Stahl in Luxemburg dem Tageblatt erklärt, dass in der Stahlkrise der 70er und 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts jeder Staat für sich gehandelt und mit Subventionen gearbeitet hätte. In Frankreich zum Beispiel wurde die Stahlindustrie verstaatlicht.

Der Stahlkonzern ArcelorMittal hat diese Nationalgrenzen gesprengt und seine Werke in Europa in ein Netzwerk eingebracht, in dem jedes Werk seine eigenen Aufgaben hat und mit anderen Werken verbunden ist. Folge der Stahlkrise der 70er und 80er Jahre mit der Konzentration der Stahlindustrie bis in dieses Jahrhundert hinein, ist eine Monopolisierung der Stahlindustrie insbesondere in Frankreich und in Belgien. Deutschland hingegen hat eine im Vergleich dazu reiche Stahlindustrie mit unter anderen ThyssenKrupp, Salzgitter, Voest, Badische Stahlwerke und ArcelorMittal. Eine Stahlindustrie, die aber auch leidet. ThyssenKrupp machte im vergangenen Jahr fünf Milliarden Euro Verlust und verkauft seine Stahlwerke in den USA und Brasilien. Der im Unterschied zu ArcelorMittal diversifizierte Konzern mit Fabriken in Lothringen macht nur noch 30 Prozent des Umsatzes mit der Stahlherstellung und hat in Duisburg Werkstätten an Mittal verkauft.

Verstaatlichung macht keinen Sinn

Eine Verstaatlichung von Anlagen, wie sie im vergangenen Jahr von einem staatlich bestellten Gutachter für Florange als möglich dargestellt wurde, macht nach einer Untersuchung der Union der leitenden Angestellten in Florange dagegen keinen Sinn. Einerseits gibt es eine deutliche Überkapazität im Markt, andererseits bleibt das Werk abhängig von ArcelorMittal. In Frankreich hatte es auch seitens der Regierung geheißen, dass Florange rentabel und überlebensfähig sei. Der Gutachter stellt hingegen dezidiert fest, dass ein Überleben nur möglich sei, wenn ArcelorMittal das Werk stütze. Es geht dabei um Patente, um Kunden, um Prozessabläufe bei der Herstellung. Die beiden Studien liegen der Redaktion vor.

Anders als in Florange, wo ArcelorMittal nicht kommuniziert, hat der Konzern in Belgien mitgeteilt, dass es in Liège im vergangenen Jahr 200 Millionen Euro Verlust gegeben habe. Wenn unter diesen Umständen der wallonische Wirtschaftsminister beginnt, nach Käufern zu suchen, wird ArcelorMittal in Belgien dieselbe Erfahrung machen, wie in Frankreich. Den ersten Schritt gibt es schon: Der FTGB verlangt die Verstaatlichung in Liège.