Nachdem die Mitglieder der Jury über den roten Teppich flaniert waren, wurde im Berlinale Palast am Potsdamer Platz, Kar Wais Epos „The Grandmaster“, gezeigt. Ein Auftakt, der sich sehen lassen konnte. Ein Film über den Kampf zweier Kung Fu Meister: Gigantische Bilder, existentielle Themen, wie Ehre, Verrat und Liebe, sowie die Vermittlung starker Gefühle.
Lange Schlangen vor den Ticketschaltern, Fans, die mit Schlafsack und Thermoskanne stundenlang ausharren, um die heißbegehrten Eintrittskarten zu ergattern, sind ein vertrautes Bild, besonders hier am Potsdamer Platz, aber auch vor den in der ganzen Stadt verteilten Vorverkaufsstellen. Denn im Gegensatz zu Cannes, dem Filmfestival mit den meisten Hollywoodgrößen, ist die Berlinale vor allem eins: Ein Publikumsfestival. Kein Festival weltweit verkauft mehr Eintrittskarten. Im vergangenen Jahr waren dies fast 300.000.
404 Filme aus 70 Ländern werden bei der diesjährigen Berlinale gezeigt. 24 Filme aus 22 Ländern haben es in den Wettbewerb geschafft. Der Fokus liegt auf Osteuropa, Beiträge aus Bosnien-Herzegowina, Rumänien, Kasachstan, Polen und Russland – viele von ihnen sind Erstlingswerke – konkurrieren um den Goldenen Bären. Doch auch etablierte Filmregisseure, wie Gus van Sant und Steven Sonderbergh präsentieren ihre letzten Filme.
Mit Spannung erwartet wird auch die Weltpremiere des iranischen Films „Geschlossener Vorhang“ (Pardé), des in seiner Heimat verfolgten Regisseurs Jafar Panahi. Per Gerichtsurteil wurde ihm verboten, zu arbeiten, doch mit Hilfe des Koregisseurs Kamboziya Partovi konnte er den Spielfilm dennoch realisieren, in dem er sogar selbst mitspielt. Er handelt von zwei Menschen, die sich in einem Haus am Meer versteckt halten, der Film spiegelt, wie die meisten seiner Filme, die prekäre Lage für viele Künstler im Iran wider.
In der Sektion „Panorama“, ist die in diesem Jahr einzige Produktion aus Luxemburg vertreten. „Naked Opera“ wurde von „Amour Fou“ produziert und dokumentiert die Geschichte von Marc Rollinger, einem Luxemburger, der seine Wochenenden meist in Begleitung schöner Männer in den Großstädten Europas verbringt, um sich Aufführungen von Mozarts Don Giovanni anzusehen. Und dabei eine Wandlung durchmacht…
Während das Geheimnis um die Gewinner des goldenen und der silbernen Bären erst am Samstag, den 16. Februar gelüftet wird, stehen bereits jetzt schon einer der wichtigsten Preisträger fest: Claude Lanzmann wird in diesem Jahr mit dem Ehrenbären für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Für Dieter Kosslick ist es „eine Ehre ihn ehren zu dürfen“, Lanzmann, der mit Shoah, seinem neuneinhalb Stunden dauernden Meisterwerk über die Judenvernichtung, bei der Berlinale 1986 für Furore sorgte, ist der erste Dokumentarfilmer, der diese Auszeichnung erhält.
Natürlich wurde, wie auch in den Jahren zuvor, schon im Vorfeld wieder an Dieter Kosslicks Auswahl herumgemeckert. Den einen fehlen prestigereicher Hollywood-Produktionen, andere sind erstaunt über die schwache Präsenz des deutschen Kinos und wiederum andere mokieren sich darüber, dass es sich bei dem Eröffnungsfilm noch nicht einmal um eine Weltpremiere handelt. Dennoch sieht alles danach aus, dass das Festival seinem Ruf als politisches Festival in diesem Jahr wieder gerecht werden wird. Aber was ist ein politisches Festival? Und ist ein unpolitisches Festival in Berlin überhaupt vorstellbar? In einer Stadt, die in den ersten vierzig Jahren der Berlinale durch ihre Geteiltheit die weltpolitischen Machtkämpfe des kalten Krieges repräsentierte und auch seit dem Mauerfall bis heute für konstante Umbrüche und Erneuerungen steht?
Zu Demaart
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