Sonntag21. Dezember 2025

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15 Monate auf einem Baum

15 Monate auf einem Baum
(dapd)

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Eine Australierin sitzt 449 Tagen auf einem Baum. Die kämpft mit einer aufsehenerregender Besetzungsaktion um das Überleben des tasmanischen Waldes.

Keine einsame Insel, sondern ein Baum war 449 Tage lang das Zuhause der Australierin Miranda Gibson. Sie saß zwischen den Baumwipfeln, in 60 Meter Höhe, auf einer wenige Quadratmeter großen Plattform inmitten eines uralten tasmanischen Waldes. Sie trotzte eisigen Wintertemperaturen, schweren Herbststürmen und der Hitze des Sommers. Erst ein Buschfeuer zwang sie vergangene Woche schließlich in die Knie beziehungsweise vom Baum. Eigentlich ist die 31-jährige Lehrerin, doch ihr luftiges Zuhause war weniger als alternatives Klassenzimmer gedacht, sondern vielmehr als Protestaktion gegen das Abholzen des jahrhundertealten tasmanischen Regenwaldes, eines der wichtigsten Ökosysteme unserer Erde.

Überleben konnte sie in ihrem luftigen Zuhause durch die Unterstützung anderer Umweltschützer und Freunden und Familienangehörigen, die regelmäßig Wasser und Essen zu ihrem Baum im Tyenna Valley brachten, das 90 Kilometer westlich von Tasmaniens Hauptstadt Hobart liegt. «In den 15 Monaten habe ich keinen Fuß auf den Boden gesetzt. Ich war nur oben auf dem Baum», erzählt Miranda Gibson im Telefoninterview. Mithilfe eines kleinen Campingkochers bereitete sie sich einfache Gerichte zu und machte Wasser zum Waschen warm. Fast 15 Monate hatte sie keine Dusche, sondern wusch sich mit Wasser aus einem Eimer. Über ein Solarpanel betrieb sie ihren Computer. Sie hatte Internetzugang, schrieb einen Blog, sprach mit Schülergruppen oder Journalisten über die prekäre Situation der Wälder Tasmaniens.

Eisige Temperaturen

Ein Plastikdach schützte sie vor den Elementen, doch das wechselhafte Wetter Tasmaniens war nicht immer einfach zu ertragen. Miranda musste Stürme auf ihrer Plattform überstehen, bei denen der gesamte Baum schwankte und im Winter eisigen Temperaturen trotzen. Am härtesten fand sie die Isolation – tagein, tagaus alleine auf dem Baum zu sein, auch wenn sich ab und zu Besucher zu ihr hochtrauten.

Der ehemalige Parteivorsitzende der Grünen, Bob Brown, kletterte einmal zu ihr hoch. Auch ihre Mutter, der Vater und die Schwester besuchten sie unabhängig voneinander.

Unvergleichliche Sonnenaufgänge

Doch trotz der Strapazen sei es ein einzigartiges Erlebnis gewesen, sagt Miranda Gibson: «Du hast soviel Zeit da oben, den Wald wirklich schätzen zu lernen und zwar zu jeder Jahreszeit. Im Sommer, wenn die Bäume blühen, im Winter, wenn sie mit Schnee bedeckt sind», erzählt sie. «Unvergleichlich sind auch die Sonnenaufgänge über den Wipfeln oder wenn der Nebel langsam zwischen den Bäumen hochsteigt.» Ihre besten Freunde wurden die Vögel des Waldes. «Manche von ihnen kamen täglich vorbei und saßen mit mir auf der Plattform. Andere sah ich nur ab und zu. Einmal kreiste eine Adlerart über meinem Baum, die vom Aussterben bedroht ist. Das war einmalig.»

Am liebsten wäre sie noch länger in ihrem luftigen Zuhause geblieben, doch ein Buschfeuer, das ein Kilometer entfernt wütete, zwang sie schließlich zur Rückkehr auf den Boden. Und das war wiederum ein Erlebnis der ganz eigenen Art. «Obwohl ich immer Fitnessübungen mit einer Schrittmaschine gemacht hatte, dachte ich, ich würde Probleme damit haben, nach so langer Zeit wieder auf festem Boden zu gehen. Aber es war nicht so schlimm wie gedacht. Ich konnte mich eigentlich ganz gut wieder bewegen.»

Dusche und Kaffee

Zurück in der Zivilisation geht es Gibson nun nicht darum, endlich mal wieder eine heiße Dusche zu nehmen oder einen guten Kaffee zu trinken. Ihr Kampf geht weiter. «Obwohl es im November 2012 hieß, dass 500.000 Hektar Wald in Tasmanien geschützt werden sollen und die australische Regierung einen Antrag auf Aufnahme einiger dieser Gegenden ins Weltkulturerbe gestellt hat, geht das Abholzen weiter», sagt Gibson.