Das Wichtigste vorweg: Das Amstel Gold Race 2013 wird nicht wie in den Jahrzehnten zuvor oben auf dem Cauberg enden, sondern 1,7 km weiter im Rijksweg von Berg en Terblijt. Das Ziel des Rennens ist damit vor der Haustür von Pressechef Bennie Ceulen, der mitverantwortlich dafür war, dass die Region Limburg die Weltmeisterschaft im Herbst letzten Jahres an praktisch derselben Stelle ausrichten durfte.
„Was für die Titelkämpfe gut war, kann für das Amstel wohl nicht schlecht sein“, muss sich Leo Van Vliet, der Chef des einzigen niederländischen Klassikers im World-Tour-Kalender der UCI, gedacht haben, als er einwilligte, das Ziel „seines“ Rennens vom Gipfel des bekanntesten Anstiegs der Region auf die nichts sagende schnurgerade Straße, die nach Maastricht führt, zu verlegen.
Mit dem damit verbundenen Risiko, dass vielleicht nicht der beste oder spektakulärste Fahrer, sondern der schlaueste diesen ersten der drei sogenannten Ardennenklassiker gewinnt.
1,7 Kilometer nach dem Cauberg
Denn anders als beim Amstel Gold Race 2012 verbleiben nach dem letzten der vier Anstiege des Cauberg 1.700 m bis ins Ziel. Und auf diesen 1,7 km bläst der Wind den Fahrern voll ins Gesicht. So besteht die Möglichkeit, dass im Cauberg abgehängte Konkurrenten mit vereinten Kräften zur Spitze aufschließen und dadurch die Entscheidung in die Zielgerade verlagern könnten.
Bei der Weltmeisterschaft konnte Philippe Gilbert ein solches Szenario noch verhindern. Zweimal schon hatte er beim Amstel Gold Race auf dem Cauberg gewonnen, im September 2012 diente die Steigung dem Belgier als Sprungbrett ins Regenbogentrikot.
Der 30-jährige Wallone (geb. am 5. Juli 1982 in Verviers), der den Cauberg aus dem Effeff kennt, griff in der letzten der zehn Runden aus dritter Position an und verschaffte sich gleich einen ansehnlichen Vorsprung. Niemand vermochte sein Rad zu halten, auch nicht der Norweger Edvald Boasson Hagen, der Spanier Alejandro Valverde oder der Russe Alexandr Kolobnew, die sich in der Verfolgung abmühten, aber bald einsehen mussten, dass sie lediglich um Silber kämpfen konnten.
Andere Voraussetzungen
Am Sonntag sind die Voraussetzungen anders. Gilbert gehört zwar erneut zum engsten Kreis der Fahrer, die für den Sieg in Frage kommen (es wäre sein 3. Erfolg beim Amstel), aber der ganz große Favorit heißt Peter Sagan. Der 23-jährige Slowake (geb. am 23. Januar 1990 in Zilina) gewann am Mittwoch den „Brabantse Pijl“, der als Generalprobe für die Ardennenklassiker angesehen wird.
Sagan war zuvor schon bei zwei Etappen der Tour of Oman, zwei Etappen von Tirreno-Adriatico, einer Etappe der Trois jours de La Panne, dem GP Città di Camaiore und dem Klassiker Gent-Wevelgem erfolgreich gewesen. Bei Mailand-San Remo und der Ronde van Vlaanderen aber musste sich Peter Sagan mit zweiten Plätzen zufriedengeben, was ihn besonders in San Remo wurmte, wo er im Spurt vom Deutschen Gerald Ciolek geschlagen wurde.
In der „Ronde“ dagegen fuhr Fabian Cancellara in einer anderen Welt, so dass der zweite Preis für Sagan doch noch etwas wie ein halber Sieg war. Auch bei den Strade Bianche und dem E3-Prijs reichte es für den Po-Kneifer von Oudenaarde nur zu zweiten Rängen.
Das Amstel Gold Race ist für Peter Sagan kein Neuland. Letztes Jahr schon stand er auf der dritthöchsten Stufe des Podiums neben dem italienischen Überraschungssieger Enrico Gasparotto und dem Belgier Jelle Vanendert. Zwei Jahre zuvor war Gasparotto in der Steigung zum Cauberg nur von Philippe Gilbert und Ryder Hesjedal geschlagen worden. Morgen versucht er, seinen Titel zu verteidigen, was aber angesichts der neuen Zieleinfahrt fast unmöglich scheint.
Andy Schlecks Test
Ehe die Gerade in Berg en Terblijt erreicht ist, kann viel passieren. Die Organisatoren schusterten nämlich eine Strecke mit 34 Anstiegen (bisher 31) zusammen, wie sie seit jeher in Holland üblich ist: unübersichtlich, mit vielem Durcheinander und einer Beschilderung, wie sie sonst wohl nirgends auf der Welt anzutreffen ist, d.h. mit Pfeilen, die am selben Ort nach Bedarf mal nach links, dann nach rechts gedreht werden.
Dieses Durcheinander im schönen Limburg ist nicht dazu angetan, dem einzigen Luxemburger Teilnehmer, Andy Schleck, Vertrauen einzuflößen. Überall lauert die Gefahr. Bruder Frank, der 2006 gewann, machte im Lauf seiner Karriere mehrere Male Bekanntschaft mit dem harten Boden, einmal sogar blieb er regungslos liegen und musste in die Klinik transportiert werden. Glücklicherweise war Stehaufmännchen Frank eine Woche später bei Liège-Bastogne-Liège wieder fit.
Die „Doyenne“, die am Sonntag in acht Tagen ausgetragen wird, inspiriert Andy Schleck wohl eher als das Amstel. Obwohl der Liège-Sieger von 2009 in einem Interview mit dem Tageblatt (Donnerstag-Ausgabe) sagte, dass er bei allen drei Klassikern der nächsten acht Tage (die Flèche Wallonne ist am Mittwoch zwischengeschaltet), seine „zurzeit beste Leistung abrufen“ will. „Ich gehe zwar mit persönlichen Ambitionen in die Klassiker, doch die verrate ich nicht“, so Andy Schleck.
Laurent Didier krank
Neben Schleck stehen noch die US-Amerikaner Matthew Busche und Ben King, (USA), der Franzose Tony Gallopin, die Belgier Ben Hermans und Maxime Monfort, der Österreicher Thomas Rohregger sowie der Spanier Haimar Zubeldia in der vom Dänen Kim Andersen betreuten Luxemburger RadioShack-Leopard-Mannschaft.
Laurent Didier fällt krankheitshalber aus (siehe „T“ von Freitag). Ben Gastauer, der letztes Jahr im Ag2r-Team stand, startet erst wieder beim Giro del Trentino (16. bis 19. April). Jempy Drucker dagegen kommt am Sonntag in acht Tagen in der Accent.jobs-Wanty-Mannschaft bei Liège-Bastogne-Liège zum Einsatz.
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