Sonntag21. Dezember 2025

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Zwischen Wahnsinn und Logik

Zwischen Wahnsinn und Logik
(AP)

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Für einige Beobachter wirken die Kriegsdrohungen aus Pjöngjang als bloßes Gerede einer vermeintlich verrückten Staatsführung. Doch hinter der verschärften Rhetorik steckt Taktik.

Seit Tagen blickt die Welt nervös nach Nordkorea, wo Pjöngjang zu immer neuen Kriegsdrohungen gegen Südkorea und die USA ausholt. Wenn das isolierte Land damit droht, Städte in den USA mit einem atomarischen Feuersturm in Schutt und Asche zu legen oder bei einem Blitzangriff Südkorea einzunehmen, mag das für den Beobachter als bloßes Gerede einer beinahe geistesgestörten Staatsführung wirken. Doch das kommunistische Land hat im vergangenen Jahr zwei Raketen abgefeuert und mit einem Atomtest im Februar weitere Sanktionen der Vereinten Nationen provoziert. Und ein weiterer nordkoreanischer Raketentest könnte unmittelbar bevorstehen.

Die Drohgebärden Nordkoreas sind mit einer gewissen Logik verbunden. Sie zeigt sich in der innenpolitischen Struktur des Landes, der Angst des regierenden Clans vor einem Machtverlust und den Schritten, mit denen der verarmte Norden in der Vergangenheit die Weltmächte zu Zugeständnissen bei den Hilfeleistungen bewegen konnte.

«Politische Überzeugung»

Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un tritt mit den Kriegsdrohungen offenbar in die Fußstapfen seines 2011 verstorbenen Vaters Kim Jong Il. «Du spielst das Spiel so lange, wie es funktioniert», sagte Christopher Voss, Chef der Beraterfirma Black Swan Group, die sich auf Verhandlungen spezialisiert. Für Nordkorea gebe es keinen Grund, die Taktik aufzugeben. «Man soll nicht reparieren, was nicht kaputt ist.» Die Nordkoreaner würden von politischen Überzeugungen gelenkt, die für Außenstehende jeglicher Logik entbehrten. «Von außen macht es keinen Sinn», sagte Voss. «Von innen macht es vollkommen Sinn.»

Dass die Kriegsrhetorik des Nordes funktioniert, hat sich inzwischen als Tatsache erwiesen. So hat Nordkorea in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit Drohungen und kriegerischem Verhalten die internationale Staatengemeinschaft dazu gebracht, das Land mit Hilfen in Milliardenhöhe zu unterstützen. Anfang der 1990er Jahre willigte Pjöngjang ein, von einem Atomwaffenprogramm abzusehen, wenn das Land im Gegenzug zwei Atomreaktoren und Treibstoff im Wert von fünf Milliarden Dollar (3,8 Milliarden Euro) erhält. 2006 schürte
Nordkorea mit einem Atomwaffentest die Ängste der internationalen Staatengemeinschaft, nur um ein Jahr später im Gegenzug für Hilfeleistungen und politische Zugeständnisse sein Atomprogramm zurückzufahren.

Alles sorgfältig abgewägt

Experten werten das erkennbare Muster hinter den Handlungen des Nordes als wichtiges Zeichen dafür, dass die Aktionen zumindest zum Teil sorgfältig abgewägt seien und Pjöngjang dabei konkrete Ziele verfolge. In anderen Worten: Egal wie irrational die Situation erscheinen mag, die nordkoreanische Staatsführung ist nicht verrückt. Einige Beobachter glauben, dass Pjöngjang die Angst der internationalen Staatengemeinschaft vor einer Unberechenbarkeit des Nordes ausnutzen wolle, um seine Macht zu verstärken. «Wie viele Länder sind seit dem Ende des Kalten Kriegs überrannt worden? Wie viele Diktatoren sind abgesetzt worden?», fragte Rodger Baker, ein Analyst des US-Forschungsinstituts Stratfor. «Und wo ist Nordkorea? Es ist noch immer da.»

Im Ausland lebende Nordkoreaner werten die Kriegsdrohungen als Versuch von Machthaber Kim, in seinem Land den inneren Zusammenhalt zu sichern. «Kim Jong Un ist so jung», sagte Nam Su Han, der als junger Mann aus Nordkorea geflohen war, nachdem sein Vater, ein Militäroffizier, hingerichtet worden war. «Er muss die Unterstützung seiner Bürger gewinnen», sagte Nam, der heute eine Aktivistengruppe mit Sitz in Seoul leitet.

Hohe Erwartungen

Auf Kim laste ein enormer Druck, meinte Peter Hayes, Chef des Nautilus Institute for Security and sustainability, einer auf Asien spezialisierten Denkfabrik. Grund dafür sei eine neue Generation von Führungskräften in Militär und Zivilgesellschaft Nordkoreas, die in den kommenden Jahren zunehmend an Einfluss gewinnen dürfte. Diese Führungskräfte zeichne ein stärkerer Kontakt zur Außenwelt als ihre Vorgänger aus, sagte Hayes. Dadurch sei es wahrscheinlicher, dass sie Kim den Rücken kehren könnten, wenn er nicht das leiste, was sie erwarteten. «Wenn er keine Wirtschaft liefert, in der es sich lohnt, zu leben, ist er erledigt.»