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Krise verschärft Rassismus

Krise verschärft Rassismus

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Italien wird das Rassismusproblem nicht los. Das wird gerade auch im Fußball sichtbar. Das Heimspiel des AC Mailand musste beinahe abgebrochen zu werden, als Fans der AS Roma den schwarzen Stürmer Balotelli ausbuhten. Ein Klima, das auch im Alltag um sich greift.

Wieder brachte ein rassistischer Zwischenfall in der ersten italienischen Fußballliga ein Spiel fast zum Abbruch. In der Partie AC Mailand gegen AS Rom stimmte die römische Fankurve rassistische Chöre gegen den schwarzen Mailänder Stürmerstar Mario Balotelli an. Bereits in der ersten Halbzeit der sportlich miserablen Begegnung (Endstand 0:0) hatten die römischen Ultras „Buuuh“-Rufe gegen Balotelli ausgestoßen. Der Stadionsprecher verwarnte sie via Lautsprecher und kündigte an, dass die Partie zuungunsten Roms abgebrochen werden könne. Mario Barwuah Balotelli ist als Sohn von Einwanderern aus Ghana in Palermo geboren worden. Er spielt in der italienischen Nationalmannschaft.

Balotelli ist kein Einzelfall

In der zweiten Hälfte musste dann Schiedsrichter Gianluca Rocchi die Begegnung für 90 Sekunden unterbrechen. Während Balotelli mit an die Lippen gelegtem Zeigefinger die aufgebrachten Fans beruhigen wollte, versuchte auch sein Teamkollege in der Nationalelf und Kapitän von AS Rom, Francesco Totti, die Störer aus den Fanreihen zum Schweigen zu bringen. Rechtsradikale und rassistische Äußerungen aus den Fußballfangruppen sind leider Alltag in italienischen Fußballstadien. Schon mehrfach wurden Balotelli und seine ebenfalls farbigen Mitspieler verbal beleidigt oder mit Bananen beworfen. Im Januar war ein Testspiel des AC Mailand gegen einen Viertligisten abgebrochen worden, nachdem der wie Balotelli aus einer ghanaischen Familie stammende Kevin-Prince Boateng von Fans des Vereins Pro Patria beschimpft wurde. Im April stimmten Juve-Fans in Turin rassistische Chöre gegen Boateng an. Der Rekordmeister bekam eine Geldstrafe von 30.000 Euro vom italienischen Fußballverband.

Seit Langem ist Italien Einwanderungsland für Migranten aus Afrika. Wer nicht per Touristenvisum ins Land kam, versuchte die lebensgefährliche Passage aus Nordafrika über die Inseln Panteleria und Lampedusa. Die Flüchtlingslager dort sind ebenso überfüllt wie die Auffanglager in den südlichen Regionen des Landes und auf Sizilien.

Von dort aus machen sich die Arbeitssuchenden auf den Weg durchs ganze Land, verdingen sich als Tagelöhner und ambulante Händler. Tagtäglich sind sie Beleidigungen ausgesetzt, auch die Ordnungshüter gehen nicht gerade sanft mit den meist Illegalen um. Da die hiesige Bürokratie lange auf Arbeitsgenehmigungen warten lässt, rutschen einige der Migranten in die Kleinkriminalität ab. Schlagzeilen über Taschendiebstähle und Raubüberfälle, verübt von Ausländern, erhitzen die Gemüter der Italiener.

Rechtspopulisten schüren Atmosphäre

Dies spielt extrem rechten Parteien geradezu in die Hand. Sowohl vonseiten von La Destra (Die Rechte) als auch aus der Lega Nord mehren sich abfällige Bemerkungen und Forderungen nach strengerem Vorgehen gegen die Migranten. Der rechte Protest kulminierte, als die in Kongo gebürtige Augenärztin Cécile Kyenge zur neuen Ministerin für Integration berufen wurde. Ihr „Nein“ in der Vertrauensabstimmung am 29. April begründete die Lega damit, dass Kyenge „keine Italienerin“ sei. Rechte Presse und rechte Politiker weisen seither ständig darauf hin, dass die „schwarzen Täter“ ins Aufgabengebiet der Ministerin Kyenge fielen. Die zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Italien, verbunden mit einer hohen Arbeitslosigkeit von annähernd zwölf Prozent und einer Jugendarbeitslosigkeit von 36,5 Prozent, führen zu einer sozialen Schieflage, von der vor allem Rechtsextremismus und Rassismus profitieren.

Was sich in den Fußballstadien als Zorn entlädt, ist nur ein Zeichen dafür, dass in der gesamten Gesellschaft etwas nicht stimmt. Zunehmend werden Spannungen auch auf der Straße ausgetragen. Sollte die neu installierte Regierung es nicht schaffen, statt ihrer internen Probleme die des Landes zu lösen, so werden die gesellschaftlichen Konflikte nicht mehr nur in Sprechchören in Fußballstadien ventiliert, sondern sich auch in heißen Auseinandersetzungen auf der Straße manifestieren.