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Spätsommer in Canet

Spätsommer in Canet

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Während bei uns die Karusselle der „Schueberfouer“ schon eifrig drehen, der Herbst mit frostigen Temperaturen im Gepäck unaufhaltsam im Anmarsch ist, dominiert an Frankreichs katalanischen Küste die Sonne weiterhin die Wetterlage.

Im Departement Pyrénées-Orientales, eingebettet zwischen dem azurblauen Mittelmeer und dem imposanten Bergmassiv der Pyrenäen, befindet sich das idyllische Badestädtchen Canet en Roussillon, wo der Sommer etwas länger als in unseren Gegenden dauert. Knapp 1.000 Kilometer von Luxemburg entfernt, ist Canet sowohl mit dem Privatauto als auch per Bahn oder gar mit dem Flugzeug bequem erreichbar und bei weitem mehr als nur eine Alternative zur traditionellen „French Riviera“ mit den bekannteren Badeorten.

Auch für einen Kurzurlaub eignet sich Canet hervorragend, denn dank der Billigflugverbindungen ab dem Flughafen Charleroi nach Perpignan-Rivesaltes ist es praktisch nur einen Katzensprung hierhin. Wir wagten den Lowcost-Flug und erreichten pünktlich, ausgeruht und wohlauf unsere Destination am Mittelmeer, wo wir von Virginie Depoues vom Tourismusamt herzlich, fast schon familiär, ja, eben auf typisch katalanische Art begrüßt wurden.

Pic du Canigou

Auf der knapp zehnminütigen Fahrt vom Flughafen nach Canet wurde uns gleich der Pic du Canigou vorgestellt, von dem allerdings im morgendlichen Dunst bei aufgehender Sonne nur die Konturen zu erkennen waren. „Er hat eine Höhe von 2.784,66 Metern und ist der höchste
Punkt unseres Departements“, schwärmte unsere Reisebegleiterin vom Berggiganten. Im gleichen Atemzug wurde uns erklärt, wie gut es sich in diesen Breitengraden leben lässt.

„Eigentlich haben wir alles hier, das blaue Meer, herrliche Strände, die Sonne, die Berge, eine wunderschöne intakte Natur, köstlichen Wein und hervorragendes Essen. Ja, ich weiß, ein bisschen ‹chauvin› sind wir schon, wie Katalanen eben so sind“, lacht Virginie, als wir bereits in Canet hineinfahren. Auf Anhieb nicht so ganz überzeugt, hatten wir uns das „Leben wie Gott in Frankreich“ bis zu diesem Zeitpunkt doch etwas anders vorgestellt. Mit seinen geradlinigen Straßen und einigen Kreisverkehren kommt Canet en Roussillon uns wie ein stinknormaler Badeort vor. Virginie allerdings lässt nicht locker, und ohne Verschnaufpause geht es gleich zum traditionellen Wochenmarkt, der die Uferpromenade mit dem modernen Stadtkern verbindet. „Hier ist unsere Rambla“, so die scheinbar immer gut gelaunte Reiseleiterin in Anspielung auf Barcelonas große Promenade Las Ramblas. 200 Kilometer von hier aus entfernt, ist Barcelona in angenehmer Reichweite und ein beliebtes Ausflugsziel nicht nur für Einheimische.

Mittlerweile hat sich auch der Morgendunst völlig aufgelöst, und die Sonne strahlt hoch über dem Gipfel des Canigou. Düfte von frischem Obst und Gemüse, würzige, typische Spezialitäten wie gefüllte Calamari, „Pa amb tomàquet“ (geröstetes Bauernbrot mit Knoblauch und Tomate abgerieben, mit Olivenöl beträufelt), hausgemachte „Saucissons“, Schinken und vieles mehr reizen unseren Geruchssinn, wecken das Hungergefühl und lassen uns entspannter wirken. Schnell wird uns klar, dass man nicht hierhin reist, um mit der Stadtarchitektur zu flirten, sondern um das ganze Drumherum dieser faszinierenden Landschaft, das Menschliche und eben die Freude am Genuss und der Freiheit zu erleben.

Sportfreaks und Genießer

Aber eins vorweg, hier in Canet kommen sowohl Sportsfreaks als auch gemütliche Genießer nicht nur während der Sommermonate voll auf ihre Kosten, denn dank des milden Klimas eignet sich die Gegend mit nicht weniger als 320 Sonnentagen im Jahr (!) als ideale Vierjahresdestination, die praktisch alle Erwartungen erfüllt. Mit einer Länge von 9 Kilometern ist der weitläufige feine Sandstrand natürlich einer der wichtigsten Vorzüge von Canet en Roussillon. Der mit den Gütesiegeln „Pavillon bleu d’Europe“ und „Handiplage“ ausgezeichnete überwachte Strand, der ganz sanft ins Meer absinkt, eignet sich für die ganze Familie und ganz besonders für Kinder.

Canet en Roussillon ist auch ein ausgezeichneter Ausgangspunkt, um Städte wie Perpignan das mittelalterliche Carcassonne, das romantische Fischerdorf Collioure oder gar Spanien, dessen Grenze in 45 Minuten erreichbar ist, zu besuchen. Dass eine Visite zum pittoresken Canet Village mit seiner Burgruine und den engen verwickelten Gassen ein Muss ist, versteht sich von selbst. Von der imposanten Kirche Saint-Jacques führen enge Gassen bis zu den Festungsmauern des „Château Vicomtal“.

Den Eindruck längst vergangener Tage vermittelt ein Besuch des mit dem Label „Natura 2000“ ausgezeichneten Etang de Canet-St-Nazaire mit seinem ehemaligem Fischerdorf. Mit weit über 200 Arten, darunter zahlreiche rosafarbene Flamingos, ist der See gleich an der Küste ein ökologisches Paradies für Zugvögel, Fische und andere Tierarten. Besonders in den Abendstunden, wenn sich die Sonne in einen roten Feuerball verwandelt und die letzten wärmenden Strahlen auf die Strohdächer der Fischerhütten prallen, kann man sich hier eine Auszeit „par excellence“ gönnen, sei es zum Entspannen, um auf andere Gedanken zu kommen oder ganz einfach, um völlig neue Erfahrungen mit der Natur zu erleben.

Maritimes Flair vermittelt der Hafen mit seinen rund 1.300 Anlegeplätzen. Boote mit einer Länge von bis zu 35 Metern können bequem hier haltmachen, während 55 außergewöhnliche bunte historische Boote zu einem Hafenspaziergang einladen. Romantiker können von hier aus eine atemberaubende Katamaranfahrt starten und so zum Beispiel einem vom Meer aus unvergesslichen Spektakel beiwohnen, wenn die Sonne hinter den Bergen und vor allem dem hier oft zitiertem Canigou verschwindet. Was diesen Steinklumpen so besonders macht und was es hier zu sehen gibt, wollten wir von einem Einheimischen wissen. Der Mann, dessen Augen so manche Lebenserfahrung ausstrahlen, lächelte und meinte: „Eigentlich nichts, gar nichts und doch alles … wir fahren vor allem hin, um abzuschalten. Die wundervolle Landschaft, der überwältige Panoramablick und die sanfte Ruhe sind nur einige Belohnungen für den doch etwas anstrengenden Gipfelanstieg. Der Canigou ist wie ein Magnet, der uns zu sich zieht.“

Köstliche Weine

Wer lieber festen Boden unter den Füssen hat, dem sei ein Besuch des Arboretum du Mas Roussillon zu empfehlen. Auf einer Fläche von 11 Hektar gibt es mehrere 100-jährige Bäume und über 500 Pflanzenarten aus dem Mittelmeerraum zu bewundern. Regelmäßig, je nach Saison, lädt das Arboretum die Besucher ein, Obst selbst zu ernten und zu genießen. Eher standfest sollte man auch bei der Degustation der erlesenen Weine der Region sein. Mit einer Rebfläche von rund 299.000 Hektar ist der Languedoc Frankreichs größtes Weinanbaugebiet. Die Vielfalt der Languedoc-Roussillon-Weine reicht von spritzigen und komplexeren Weißweinen über herrliche Rotweine bis hin zu anerkannten Schaum- und selbstverständlich auch Rosé-Weinen. Lunel, Frontignan und Rivesaltes … sind nur einige der breiten Weinpalette, die man unbedingt probieren sollte.

Natürlich werden auch hier die Feste gefeiert wie sie fallen, aber in Canet en Roussillon vergeht kaum ein Tag, an dem es nichts zu feiern gäbe. Ganz nach dem Motto „tous les prétextes sont bons pour faire la fête“ verwandelt sich die am Tag als Einkaufsstraße dienende rue Cassanyes bei zunehmender Abenddämmerung in die berüchtigte rue de la soif, eine wahre Partymeile mit zahlreichen Bars und Restaurants, wo bis spät in die Nacht gefeiert, gesungen und getanzt wird. Während die jüngeren Gäste eher etwas rhythmischer loslegen, gehören Tänze wie die „Sardane“ nach wie vor zur Tradition. Die ersten Schritte einer „Sardane“ wirkten dann auch schon wie ein Abschiedstanz, denn auf dem Rollfeld des Flughafens stand der Flieger bereit.

Ein letzter Blick aus dem Bullauge schweift hoch zum Canigou. Und binnen 90 Minuten befördert uns die Billigairline zurück in herbstlichere Gegenden, während in Canet en Roussillon die Sonne immer noch lacht.