«Mit dem System stimmt etwas nicht», stellt Lotus-Teamchef Gerard Lopez ernüchtert fest. «Das Verteilungsmodell der Einnahmen ist völlig falsch. Diejenigen, die mehr haben, bekommen mehr und als Resultat wollen sie mehr und wollen auch mehr ausgeben. Und jene, die weniger haben, erhalten weniger», kritisiert er und sprach damit auch Sauber und Force India aus der Seele.
Die Krise in der Formel 1 macht auch Bernie Ecclestone schwer zu schaffen. Erstmals überhaupt räumt der 84 Jahre alte Chefvermarkter ob der finanziellen Probleme einiger Teams seine Hilflosigkeit ein. «Ich weiß, was schief läuft, ich weiß aber nicht, wie ich es lösen soll», räumte der 84-Jährige am Rande des Großen Preises der USA in Austin ein. Rund 50 Minuten lang sprach der mächtigste Mann in der Königsklasse des Motorsports am Samstag in einem Konferenzraum am Circuit of The Americas über die Krise der Rennserie, seine Ratlosigkeit und die Notwendigkeit von Veränderungen. «Ich will nicht, dass die Formel 1 verschwindet und die Leute mir nachsagen, dass es meinetwegen war.»
Hilferuf von Ecclestone
Die Krisensymptome sind offensichtlich. Mit Caterham und Marussia haben zwei Rennställe wegen akuter finanzieller Probleme nicht die Reise nach Texas angetreten und sind von der Zahlungsunfähigkeit bedroht. Das Teilnehmerfeld der einstigen Glamourserie ist auf neun Teams geschrumpft. Die immensen Kosten ermöglichen den Kleinen nur ein Leben am Existenzminimum. Ferrari oder Red Bull haben mit ihren Budgets von geschätzt jeweils mehr als 250 Millionen Euro pro Jahr kein Interesse an einer Kostenreduzierung.
Ecclestone erkennt die systemimmanente Gefahr der in die Höhe geschossenen Kosten. In der Debatte um eine Umverteilung der Einnahmen sieht er jedoch seine Hände gebunden. «Wenn wir in der Position wären, dass wir diesen Teams, die Probleme haben, helfen könnten, würden wir es tun. Aber wir dürfen es nicht», sagte er mit Blick auf die bestehenden Verträge. Ecclestone selbst räumte den großen Teams seinerzeit aber Privilegien ein, um seine eigene Macht zu sichern. «Wir geben ihnen mehr, weil es ihnen auch zusteht», sagte er etwa mit Blick auf das Traditionsteam Ferrari.
«Geld wird schlecht verteilt»
Rechteinhaber CVC verlangt von ihm als Chefvermarkter üppige Profite und dürfte die gegenwärtigen imageschädigenden Debatten mit Missfallen betrachten. Daher dürfte der in dieser Offenheit überraschende Auftritt Ecclestones nicht ohne Kalkül erfolgt sein. «Das Problem ist, dass zu viel Geld schlecht verteilt wird. Das ist vermutlich mein Fehler», gestand der ehemalige Gebrauchtwagenhändler erstaunlich freimütig ein. «Die Formel 1 steckte schon immer in der Krise», meinte er schmunzelnd.
Regeländerungen bedingen jedoch Einstimmigkeit. Die großen Vier – Ferrari, Red Bull, Mercedes und McLaren – haben Ecclestone zufolge an einem neuen Verteilungsschlüssel kein Interesse: «Da wäre nicht ein Rennstall, der sagen würde, das ist eine verdammt gute Idee.» Dennoch erscheint Ecclestone ein Konsens möglich. «Die Situation sieht so aus, dass wir sie auch lösen können, wenn genug Menschen sie lösen wollen.» Die in der Formel 1 involvierten Menschen müssten aber bereit sein, einige Opfer zu bringen.
«Ich bin nicht glücklich»
Er wolle nun direkt mit den Herstellern über nötige Reformen reden. Selbst Absprachen mit Jean Todt, dem Chef des Automobil-Weltverbands FIA, hält Ecclestone im Grunde für realisierbar. «Ich glaube ehrlich, dass er alles tun würde, was wir vorschlagen», meinte der Brite.
Tatenlosigkeit ist für den gerissenen Geschäftsmann, der die kommerziellen Geschicke des PS-Spektakels seit Ende der 70er Jahre lenkt, keine Option. «Ich habe mich nie wegen irgendetwas hilflos gefühlt. Ich bin nicht glücklich, und wir müssen etwas tun, denn wir dürfen uns alle nicht zurücklehnen und denken, dass das Problem verschwindet», erklärte Ecclestone.
«Ich würde nein sagen»
Wenn er noch die uneingeschränkte Macht besäße, würde er reinen Tisch machen. «Ich würde die Verträge mit den Teams zerreißen», meinte Ecclestone. Die großen Rennställe würden ihn aber schnell wieder einfangen, bedauerte er. Auf die Frage, ob er gerade die schwerste Krise der Formel 1 erlebe, antwortete Ecclestone: «Ich würde nein sagen, wir reden nur von noch mehr Geld.»
Gegen Ende der Gesprächsrunde nach der Qualifikation zum drittletzten Saisonrennen ließ Ecclestone auch Mercedes-Teamaufsichtsrat Niki Lauda und Ferrari-Teamchef Marco Mattiacci in den Konferenzraum bitten. Ihre Haltung in der Finanzdebatte ist jedoch klar. Mercedes beharrt auf den Gebühren für seine Motoren, Ferrari hat kein Interesse an einer Umverteilung. «Das Ziel ist nicht, wie man den Kuchen anders verteilen kann, sondern wie man den Kuchen größer machen kann», erklärte Mattiacci. Diese Sicht der Dinge ist aber vermutlich eine Ursache für die Krise der Formel 1.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können