Montag29. Dezember 2025

Demaart Zu Demaart

Headlines

Luxemburg schläft

Luxemburg schläft

Jetzt weiterlesen !

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Oder schließen Sie ein Abo ab.

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Es gibt Menschen in einer Gesellschaft, die muss man nicht vorstellen. Fast jeder kennt sie – durch ihr tatkräftiges Engagement und durch ihre klaren Stellungnahmen.

Diese Menschen werden jedoch immer seltener. Unsere Gesellschaft fließt im Strom der Mittelmäßigkeit. Die Angst, anzuecken, wächst, der Mut, Position zu beziehen, schwindet. Doch nicht bei ihr, nicht bei Danielle Igniti.

Kurzbio

– 1954 in Luxemburg geboren in einer italienischen Einwandererfamilie.

– Studium der Romanistik und Kunstgeschichte in Brüssel.

– 1990 übernimmt sie das Kunstzentrum Nei Liicht und 1993 auch die Galerie Dominque Lang.

– Die Grundaussage des Feminismus entdeckt die Tochter einer, wie sie selbst sagt, «patriarchalen Arbeiterfamilie mit klassischer Rollenaufteilung» früh: Die ungleichen Chancen von Mädchen und Jungen in der Familie empfindet sie als Ungerechtigkeit.

– In die LSAP tritt Igniti ein, um «eine Revolution auch in der Frauenfrage zu starten. Da hatte ich mir natürlich den falschen Club ausgesucht», sagt sie heute.

– Heute leitet sie das Kulturamt der Stadt Düdelingen mit dem Kulturzentrum opderschmelz hauptamtlich und ist Direktorin der beiden Kunstzentren Nei Liicht und Dominique Lang.

Und dennoch ist es etwas ruhiger geworden um sie. Igniti mischt nicht mehr bei jeder kulturpolitischen Talkrunde mit, lässt auch mal eine Vernissage zeitgenössischer Kunst sausen, ihren Posten als Präsidentin des «Planning familial» gibt sie Ende des Jahres auch ab, an eine Jüngere.

Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau

Sie hat ihre Arbeit getan, hat die Debatte um Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau immer wieder neu angeheizt, das reformierte Gesetz zum Schwangerschaftsabbruch ist auch so gut wie durch, 20 Jahre Engagement an vorderster Front für eine fortschrittliche und gerechte Familienpolitik reichen. Sie lächelt, hat kein Problem damit, loszulassen. Wir stellen gemeinsam fest, dass sich hier Männer wohl weiterhin von Frauen unterscheiden. «Männern fällt es schwer, Macht abzugeben», sagt sie. «Gerade älteren Männern …» Woran das liegt? Wohl eine Frage von Hormonen, meint Igniti, «dieses Testosteron, vielleicht sollten wir es einmal einnehmen, um zu verstehen, wie Männer ticken …»

Die Gleichberechtigung, die ist für Igniti auch weiterhin noch längst nicht erreicht. Doch die Erklärungsmuster seien komplexer geworden, im Laufe der Jahre. Erziehung und Tradition, die Frauen auf ihren Platz verwiesen, hätten an Bedeutung verloren, heute stelle sich eher die Frage: Warum trauen sich viele Frauen nicht? Warum verkaufen sie sich unter Wert? Warum haben viele von ihnen keine Lust zu kämpfen? Und warum brauchen viele Männer wiederum diesen ständigen Kampf und plustern sich dabei so richtig auf? Wobei wir wieder beim Testosteron wären …

Doch es gibt sie, Frauen in Führungspositionen. Unsere Kulturministerin zum Beispiel. Und prompt sind wir bei einem nächsten Thema, das Danielle Igniti umtreibt: «Es gibt in Luxemburg keine Kulturpolitik», sagt sie und zieht die Augenbrauen hoch. «Unter Modert nicht, da wurden Gelder ausgeteilt und Prestigeobjekte gebaut, und unter Nagel auch nicht, außer ein paar fragwürdigen Aussagen in der Presse hat sie noch nichts gemacht.»

Klare Anforderungen

Danielle Igniti hat klare Anforderungen an die Kulturpolitik. «Wir müssen uns fragen, was das Land braucht», sagt sie und listet auf. Wollen wir einige nationale Künstler auf Weltniveau bringen? Wenn ja, wie? Was brauchen wir auf nationalem Niveau? Was kaufen wir ein? Wo setzen wir auf Eigenkreation? Wie verteilen wir das Geld zwischen der Hauptstadt und den Regionen? Und vor allem, wie definieren wir Kultur?

Sie erzählt, dass sich nicht einmal ein Prozent der Düdelinger Bevölkerung dafür interessiere, was sie in ihrem Kulturzentrum „opderschmelz“ machten. «Das ist ein Problem. Aber ist das mein Problem? Ich denke nicht.» Für Igniti ist klar: Diese Kulturverdrossenheit ist «die Konsequenz falscher politischer Entscheidungen». Bei der Förderung des Kulturverständnisses der Bevölkerung müsse man früher ansetzen, bei der Kulturerziehung in Schulen zum Beispiel. «Nicht einmal eine Stunde Kultur steht auf den Studenplänen unserer Schüler?»

Vor allem jedoch müsse man weg von der Kosten-Nutzen-Rechnung. Sie mache jede zukunftsorientierte Kulturpolitik kaputt. Event-Kultur, Mainstream, das hätten wir schon zu Genüge. Und das Ergebnis auch: «Luxemburg schläft, ist langweilig, unbeteiligt, es gibt keine Intellektuellen mehr, dafür um so mehr Konsumenten.» „Wer denkt heute noch nach?“, fragt sie. «Außer über das Wohl seiner Katze …» Es scheint einsam geworden zu sein, auf dem Schlachtfeld …