Sicher ist nur eines: Tanja Gräff ist tot. Wie sie vor fast acht Jahren ums Leben kam, ist noch immer ein Rätsel. Eine neue Sonderkommission soll Licht ins Dunkel bringen.
Sie waren so dicht dran, aber die Leiche haben sie dann doch nicht gesehen. Im tiefen Dickicht unter Ahornblättern und wuchernden Brombeerhecken verborgen lag die tote Tanja Gräff, während um sie herum eine der größten Suchaktionen in der rheinland-pfälzischen Polizeigeschichte ablief. An der 50 Meter hohen Felswand über ihr seilten sich Höhenretter herab. Leichenhunde machten vor dem dichtem Gesträuch halt, Drohnen und die Wärmebildkamera eines Hubschraubers konnten die Baumkronen nicht durchblicken.
«Wir haben das ganze Gelände mehrfach abgesucht, ohne dass wir auf diesen Punkt kamen», sagt der Leiter der Trierer Mordkommission, Christian Soulier, am Dienstag. Damit meint er jene zwei mal drei Meter, auf denen am Montag die sterblichen Überreste der seit Juni 2007 vermissten Trierer Studentin von Forstarbeitern zufällig entdeckt wurden. Zunächst war es nur der Schädel, dann fanden Ermittler fast das ganze Skelett. Und ihren Schmuck, ihr Handy und ihren Studentenausweis.
Das Gelände sei damals zu Fuß einfach nicht zugänglich gewesen, sagt Polizeidirektor Franz-Dieter Ankner. Erst bei den derzeitigen Rodungsarbeiten sei ein Durchblick möglich geworden.
Polizei steht unter Erklärungsdruck
Die Trierer Polizei steht unter Erklärungsdruck, denn selten hat ein Vermisstenfall bundesweit derart für Aufsehen gesorgt. Eine junge Frau verschwindet nach einem Sommerfest an der Hochschule – spurlos.
Alle Suchaktionen, die bis zum Stausee in Luxemburg reichten, verliefen im Nichts. Und dann liegt die Tote gerade mal einen Kilometer von dem Ort entfernt, an dem sie verschwand. «Man kann ja nicht alles roden, was einem im Weg ist», sagt Soulier.
Schnell waren sich damals Polizei und Staatsanwaltschaft sicher: Die 21-Jährige aus Korlingen (Kreis Trier-Saarburg) musste Opfer eines Gewaltverbrechens geworden sein. Doch nach dem Fund der Leiche stellen sich viele Fragen neu: Ist die junge Frau damals möglicherweise auf dem Felsenhöhenweg aus 50 Metern Höhe abgestürzt? War es ein Unfall? Oder war es ein Verbrechen?
Zu früh für Spekulationen
«Es ist einfach noch zu früh, in Spekulationen einzutreten», sagt der Leitende Trierer Oberstaatsanwalt Peter Fritzen. «Wir müssen abwarten, was die Ergebnisse der Rechtsmedizin uns bringen und dann irgendwie versuchen, einen Geschehensablauf zu rekonstruieren.» Es werde aber auf jeden Fall weiter wegen eines Tötungsdelikts ermittelt.
Eine neu gegründete 20-köpfige Sonderkommission soll Licht ins Dunkel bringen. «Wir werden also mit großem Aufwand da wieder einsteigen müssen», erklärt der Oberstaatsanwalt. Heißt: Alle knapp 3000 Hinweise und Spuren werden im Licht des Leichenfundes neu bewertet. Auch ein Zeuge, der in jener Nacht «einen weibliche Hilfeschrei» an der Mosel vernommen haben will, soll noch mal gehört werden.
Viele offene Fragen
Gibt es DNA-Spuren auf den Kleidern der Toten? Können Verletzungsmuster an den Knochen Auskunft über ihren Tod geben? All diese Fragen werden erst in Wochen beantwortet. «Das Auffinden der Leiche bringt die Ermittlungen zweifellos ein wesentliches Stück weiter. «Aber es ist noch ein weiter Weg bis zur Aufklärung des Todes von Tanja Gräff», sagt Chefermittler Fritzen. Es werde «geraume Zeit» in Anspruch nehmen.
Möglicherweise sei es ja auch schon zu spät, meint der Anwalt von Tanja Gräffs Mutter, Detlef Böhm. Hätte man die Tote früher gefunden, wäre die Aufklärung ihres Todes sicher leichter gewesen. Er verstehe nicht, warum die Studentin übersehen wurde: «Es stellt sich jetzt die Frage, wie akribisch die Polizei damals gesucht hat.»
René Hoffmann (48) ist gelernter Journalist und arbeitet seit 1999 bei Editpress, zuerst bei der französischsprachigen Wochenzeitung "Le Jeudi", seit 2008 aber beim Tageblatt.
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