Was man den Besuchern bisher an Filmen vorgesetzt hat, ist an und für sich eines A-Festivals wie der Berlinale unwürdig. Während das Programm in den normalen Kinos (auch in Luxemburg) zum Jahresbeginn qualitativ sehr anspruchsvoll war, spult man im Berliner Wettbewerb Filme ab, die bestenfalls als Schlafmittel Wirkung zeigen. Manchmal fragt man sich als Leidender in seinem Kinosessel, ob die Menschen, die diese quälenden Dinger auswählen, sich die Filme überhaupt ansehen, bevor sie auf Presse und Publikum losgelassen werden.
Wenn Filme wie der portugiesische Beitrag „Cartas de Guerra“ oder der chinesische „Chang Giang Tu/Crosscurrent“ während jeweils zwei Stunden endlose Texte deklamieren und man sonst nichts tut, als fehlerhafte Untertitel in zwei Sprachen zu lesen („intellectual“ = „Taugenichts??“), kann einen schon das kalte Grauen überkommen. Und was bitte hat eine streckenweise groteske Fallada-Verfilmung wie „Jeder stirbt für sich allein“ bei der Berlinale verloren, die aus Koproduktionsgründen in englischer Sprache gedreht wurde und bei der jeder Darsteller mit einem anderen Akzent spricht? Sicher – Emma Thompson, Brendan Gleeson und Daniel Brühl als Publikumsmagneten auf dem roten Teppich zu haben, mag für Glitzer und Glamour wichtig sein, aber diesen Europudding-Einheitsbrei mit Wettbewerbsehren zu überschütten, nur weil sämtliche Fördergremien Deutschlands und der umherliegenden Galaxien ihre Finger im Spiel hatten, grenzt schon fast an Häme.
Die wenigen Lichtblicke, die man uns bisher vorsetzte, zählen sich an den Fingern der linken Hand ab. Neben dem tunesischen Beitrag „Inhebbek Hedi“ von Mohammed Ben Attia – über die Rebellion eines jungen Mannes gegen seine herrschsüchtige Mutter –, war es vor allem die italienische Halbdokumentation „Fuocammare“ von Gianfranco Rosi, die positives Aufsehen erregte. Der auf Lampedusa gedrehte Film handelt – wie könnte es anders sein – von der aktuellen Flüchtlingskrise und zeigt auf, wie dramatisch und ausweglos die Situation tatsächlich ist. Als Kontrapunkt zu den schockierenden Bildern von leidenden und sterbenden Menschen zeigt Rosi das Alltagsleben der einfachen Menschen, die auf Lampedusa leben. Der eindrucksvolle Film, der die Berlinale polarisierte, dürfte bei der Preisvergabe Ende der Woche dabei sein.
Luxemburg hat dieses Jahr einmal mehr keinen Film im offiziellen Programm, obwohl ein starkes Werk wie Pol Cruchtens „Voices From Chernobyl“, das demnächst beim LuxFilmFest uraufgeführt wird, dem Wettbewerb oder Panorama in Berlin gut zu Gesicht gestanden hätte. Wir müssen uns wohl auch auf dem Gebiet des Kinos in nächster Zukunft besser verkaufen, um unsere Filme auf den A-Festivals zu platzieren.
In dieser Optik ist dann auch der Besuch von Staats-, Kultur- Medien- und Kultusminister Xavier Bettel zu verstehen, der am Montag in Berlin weilte und dort die deutsche Kulturministerin Monika Grütters traf. Bettel war dann auch Ehrengast beim alljährlichen Empfang in der luxemburgischen Botschaft, wo Botschafter Georges Santer in gewohnt humorvoller Art und gar mit cineastischen Zitaten seine Gäste beglückte, die dann bei Crémant und leckeren Rieslings-Pasteten den grauen Festivalalltag und die manchmal abscheulichen Filme für ein paar Stunden vergessen durften.
@berlinale: #culture is the place where we are able to bring people #together pic.twitter.com/8o8YBKDPXe
— Bettel Xavier (@Xavier_Bettel) February 15, 2016
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Die Berlinale und Luxemburg
Auch wenn Luxemburg mit keinem Beitrag auf der diesjährigen Berlinale vertreten ist, sei daran erinnert, dass es in der Vergangenheit bereits neun Nominierungen und vier Preise gab. Das teilte die Regierung gestern mit.
Außerdem sind mit „Colonia Dignidad“, „The dark side of the moon“, „Mammal“ und „Préjudice“ vier luxemburgische Co-Produktionen beim „European Film Market“ vertreten. Letzterer zählt mit 489 Ausstellern, 8.628 Fachbesuchern aus 100 Ländern, darunter 1.568 internationale Einkäufer, zu den bedeutendsten Branchentreffs der internationalen Filmindustrie.
Beim diesjährigen Cesar sind zwei luxemburgische Co-Produktionen nominiert. „ L’enquête“ von Vincent Garenq (Samsa Film) geht in der Kategorie „Beste Buchadaption“ ins Rennen und „Le tout nouveau testament“ von Jaco van Dormael (Juliette Films) in der Kategorie „Bester ausländischer Film“.
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