Wasser, Hopfen, Malz, Hefe – und Glyphosat. Ausgerechnet im 500. Jubiläumsjahr des Reinheitsgebotes haben Umweltschützer das Herbizid im Bier nachgewiesen. Besonders verwunderlich ist das nicht, schließlich gehört das Mittel zu den meistverkauften Herbiziden weltweit und wurde selbst in Bio-Linsen schon gefunden. Der Zeitpunkt aber ist brisant – nicht nur wegen der Feiern zum Reinheitsgebot, die über Deutschlands Grenzen Werbewirkung entfalten sollten: In wenigen Tagen will Brüssel über die weitere Zulassung des umstrittenen Unkrautmittels in der EU entscheiden. Und dies womöglich gleich für 15 Jahre, warnt der Grünen-Europaabgeordnete Martin Häusling.
Das Umweltinstitut München, ein privater Verein, hatte Biere der 14 beliebtesten Biermarken Deutschlands testen lassen und in allen Spuren des Unkrautvernichters gefunden. Die Werte lagen zwischen knapp 0,5 und fast 30 Mikrogramm pro Liter – das 300-fache des Trinkwassergrenzwerts von 0,1 Mikrogramm. Die absoluten Mengen seien zwar klein, erläuterte der Verein. Bei krebserregenden Stoffen gebe es aber keine Untergrenze. Ob Glyphosat beim Menschen tatsächlich Tumoren verursachen kann, ist wissenschaftlich allerdings nicht gesichert. Erst kürzlich hatten Berichte über geringe Glyphosatmengen in der Muttermilch Eltern aufgeschreckt. Dann gab es Entwarnung: Eine andere Messmethode bestätigte die Werte nicht.
Panikmache oder Katastrophe?
Jetzt das Bier. Die Wogen schlagen hoch. Brauer, Bauern und Hersteller des Herbizids sprechen von Panikmache und werfen dem Umweltinstitut unseriöses Vorgehen vor. Grüne und Umweltschützer sehen sich bestärkt in der Forderung nach einem Glyphosatverbot. «Für die Verbraucher und für den Lebensmittelbereich ist diese Nachricht eine Katastrophe», sagt die Grünen-Politikerin Renate Künast. «Unser Bier steht für Genuss und Reinheitsgebot. Die Sorge vor dem laut WHO karzinogenen Glyphosat darf nicht mit unserem Bier verbunden werden.» Gerade das Reinheitsgebot sei etwa auf dem Höhepunkt der BSE-Krise auch Messlatte für eine neue Lebensmittelpolitik gewesen.
Allerdings ist es nicht das erste Mal, dass im Bier potenziell gefährliche Stoffe entdeckt werden. Vor einigen Jahren wurde Arsen gefunden. Das Schwermetall gerät beim Filtrieren in den Gerstensaft. Nach Untersuchungen von 150 Biersorten gaben die Forscher Entwarnung: Die Werte lagen zwar teils doppelt so hoch wie der WHO-Richtwert für Trinkwasser. Aber lange vor einer Arsen- drohe eine Alkoholvergiftung. Ähnlich argumentieren nun die Herbizid-Hersteller. Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) müsste man von dem Bier mit den höchsten Glyphosat-Werten am Tag 1000 Liter trinken, um die als unbedenklich geltende Aufnahmemenge zu überschreiten. «Und in diesen Mengen genossen, wäre schon der Hauptbestandteil des Bieres – Wasser nämlich – mit Sicherheit tödlich», folgert der Industrieverband Agrar (IVA). Zudem gelte Alkohol als krebserregend, sicherer als Glyphosat.
«Deutsches Bier steht jetzt unter Generalverdacht»
«Deutsches Bier steht jetzt unter Generalverdacht», klagt der Verband Die Lebensmittelwirtschaft. «Es ist perfide und abgeschmackt, wie es das Umweltinstitut tut, diese Untersuchungen mit dem Reinheitsgebot in Verbindung zu bringen: Das Reinheitsgebot bezieht sich auf Zutaten im Bier, nicht auf deren Inhaltsstoffe.» Welche Gefahren von Glyphosat ausgehen, ist umstritten. Die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO (IARC) hatte das Mittel im vergangenen Sommer als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Im November kam die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hingegen zum Schluss, der Wirkstoff berge vermutlich keine Krebs-Bedrohung für den Menschen.
Da nach wie vor zwischen Experten nicht abschließend geklärt sei, ob Glyphosat beim Menschen krebserregend wirke, sei eine Belastung des Menschen «nicht wünschenswert», sagt Marike Kolossa, Leiterin des Fachgebiets gesundheitsbezogene Umweltbeobachtung im Umweltbundesamt. Der Verbrauch allerdings nimmt weltweit rasant zu. Und Experten rechen damit, dass er mit veränderten Ackerbaumethoden weiter drastisch steigt. Parallel heben nationale Behörden die Grenzwerte an: 1999 galt für Weizen ein Wert von fünf Milligramm pro Kilo, 2014 wurde er auf zehn Milligramm verdoppelt. Für Gerste gelten 20 Milligramm pro Kilo.
Glyphosat im Urin
Die zunehmende Verbreitung von Glyphosat bestätigen auch Tests des Umweltbundesamtes. Binnen 15 Jahren stieg etwa die Urinbelastung. Bei 400 Studenten seien zwar Werte gemessen worden, die um das 1000-fache unter dem liegen, was die Efsa als vertretbar ansieht, wenn der Stoff nicht krebserregend sein sollte. 2001 wurde aber erst bei jedem Zehnten Glyphosat gefunden – inzwischen ist es fast jeder Zweite. Der Umweltbiotechnologe Matthias Kästner vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig sieht Gefahren durch Wechselwirkungen von Herbiziden. «Die Wirkung von Mischkontaminationen und die Interaktion von Kontaminationen – das ist derzeit Gegenstand von Forschung.»
Offen ist, wie das Glyphosat ins Bier kommt. Wasser und Hopfen gelten als unwahrscheinliche Quelle. Vermutlich sei es die Gerste, heißt es beim Umweltinstitut und anderen Fachleuten. Zwar darf Braugerste in Deutschland vor der Ernte nicht mit Glyphosat behandelt werden. Doch stammt laut Deutschem Bauernverband etwa die Hälfte der Braugerste aus Importländern mit weniger strengen Bestimmungen.
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