Viele Unternehmen haben sich erholt und orientieren sich neu. Eine Energiewende aber blieb aus – nicht trotz, sondern wegen Fukushima. Als am 11. März 2011 ein gewaltiger Tsunami mit fürchterlicher Gewalt den Nordosten Japans heimsuchte, wurden schlagartig wichtige Produktionsstätten zerstört und Lieferketten zerrissen. Auch Weltkonzerne wie der Autobauer Toyota erlitten enorme Ausfälle und kämpften mit den daraus folgenden Absatzproblemen.
Ganze Fabriken mussten ihren Betrieb unterbrechen. Dann gleich der nächste Schock: Der Super-GAU im Atomkraftwerk Fukushima. Plötzlich war Japans industrie- und wirtschaftspolitisches Modell grundsätzlich in Frage gestellt. Und heute, fünf Jahre nach dem Desaster? «Viele Unternehmen, vor allem die großen, haben die Unglücksregion im Nordosten weitgehend aufgegeben», berichtet Martin Schulz, Ökonom am Fujitsu Research Institute in Tokio. In einem beeindruckenden Kraftakt hätten sie damals die Probleme zügig in den Griff bekommen – schneller sogar als erhofft. Von Tag eins an seien sie darum bemüht gewesen, die Lieferketten wieder zu reparieren.
Aus Erfahrungen lernen
Doch die Wirtschaft lernte aus den Erfahrungen. Zuliefer-Strukturen wurden breiter aufgestellt – vor allem ins Ausland. Zugleich profitierten andere Regionen indirekt von der Katastrophe. So hat sich der für die japanische Wirtschaft wichtige Sektor der Automobil-Elektronik auf die südliche Hauptinsel Kyushu verlagert, also quasi an die Pforte zum Rest Asiens. Das Geschäft brummt.
Geboomt hat auch die Solarenergie. Infolge von Fukushima wurde stark in diesen Bereich investiert, innerhalb weniger Jahre kam Japan an die Kapazitäten Deutschlands heran. Doch im Unterschied zur Bundesrepublik hatte man keine klare Strategie, um alles durchgängig neu aufzubauen und zugleich alte Strom-Monopole aufzubrechen. Einer dieser Monopolisten ist Tepco, der Betreiber der Atomruine Fukushima.
Konzerne klagen
Die Konzerne klagten, dass ihnen der Markt kaputt gemacht werde und ihre Netze im übrigen darauf gar nicht vorbereitet seien. Ab April dieses Jahres wird nun zumindest der Vertrieb liberalisiert, künftig kann man in Japan seinen Anbieter wählen. Die regionale Struktur wird aufgehoben. Das steigert zwar Effizienz und Flexibilität, ist aber nicht der große Wettbewerb zur Auflösung der Monopole. Eine Deregulierung des Netzes bleibt vorest aus.
Wer erwartet hatte, dass es nach Fukushima zu einer echten Energiewende auch in Japan kommt, sah sich enttäuscht. Die erneuerbaren Energien werden ausgebaut. Die bisher wenig genutzte Windkraft dürfte weiter zulegen, Biomasse boomt geradezu. Insgesamt aber geht es nur langsam voran. Abgesehen davon, dass es in Japan keinen politischen Willen gibt, ganz aus der Atomkraft auszusteigen, kann es sich das Land nach Ansicht von Experten gar nicht leisten – ironischerweise gerade wegen Fukushima. Denn die Bewältigung der Katastrophe in der Atomruine kostet sehr viel Geld.
Alte Reaktoren
Die großen Stromversorger waren hier schon vor der Katastrophe in Fukushima hoch verschuldet. Umso mehr halten sie nun an ihren oft alten Reaktoren fest, auch wenn diese derzeit bis auf vier Anlagen sämtlich abgeschaltet sind. Solange sie wenigstens im Prinzip laufen können, dienen sie als Vermögen, auf dessen Basis die Konzerne sich weiter mit Krediten über Wasser halten können.
Und so hält Japan vorerst weiter am Nuklearstrom fest, obwohl Experten das von der Regierung für 2030 ausgegebene Ziel von 20 bis 22 Prozent Anteil der Atomenergie an der Stromversorgung für völlig unrealistisch halten. Dafür müsste Japan eine Reihe neuer Reaktoren bauen, denn viele der alten werden die verschärften Sicherheitsauflagen nicht erfüllen können. Doch ein Neubau von Reaktoren ist politisch auch in Japan kaum mehr vorstellbar.
Die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt stützt sich im Jahr fünf nach Fukushima also weiter auf ihren bewährten Energiemix. Atomstrom wird vorerst nicht aufgegeben, die Erneuerbaren werden ausgebaut, aber fossile Brennstoffe weiter verwendet. Anders als Deutschland geht Japan viel langsamer voran und versucht, alle Seiten irgendwie über Wasser zu halten. Aber ist das wirklich zukunftsorientiert?
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