Headlines

ÖT. Weil’s schlauer ist.

ÖT. Weil’s schlauer ist.
(Alain Rischard/editpress)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Bahn, Bus, die Eidgenossen und wir

Die Schweizer haben am Mittwoch den längsten Eisenbahntunnel der Welt mit berechtigtem Stolz eingeweiht. Wie Urs Hammer, der hiesige Schweizer Botschafter, bei einem Empfang aus diesem Anlass zu Recht feststellte, ist dieser Tunnel ein „Symbol der schweizerischen Solidarität mit Europa“: In der Tat wird diese neue Verbindung, in welche die Schweizer Berge von Fränkli investiert haben, Vorteile für ganz Europa bringen, da der transalpine Verkehr mit ihm eine neue Stufe der Schnelligkeit, Effizienz und Umweltfreundlichkeit erklimmt.

Der Luxemburger Staatssekretär Camille Gira betonte bei gleicher Gelegenheit, dass die Schweiz dem Großherzogtum im Hinblick auf die Prioritätensetzung „weg von der Straße, hin zur Bahn“ künftig ein Vorbild sein soll. Der Wert von Bahn & Öffentlichem Transport (ÖT) wird leider oft erst dann deutlich, wenn man sie nicht mehr hat: Nach dem unzeitigen Absaufen des Bettemburger Stellwerks stiegen tausende Pendler notgedrungenerweise auf das Auto um … mit fatalen Konsequenzen für den Verkehrsfluss.

Dies sollte eine Lektion für all jene Autojunkies sein, die stolz darauf sind, niemals einen Fuß in Bus oder Bahn (und vor allem nicht in die teuflische Tram!) zu setzen und den ÖT als Hindernis für den Individualverkehr (IV) verwünschen.
In Tagen wie diesen zeigt sich, dass sie jenen Menschen, die genug Esprit civique besitzen, um den ÖT zu benutzen, im Gegenteil dankbar sein sollten.

Wenn nämlich all diese Leute auch noch mit ihrem eigenen Vehikel auf den Straßen unterwegs wären, würde der IV endgültig an sich selber ersticken. Ein guter ÖT ist mithin nicht der Feind des IV, er ist vielmehr das Beste, was dem IV letztlich geschehen kann. Denn je mehr Leute Bus und Bahn benutzen, desto besser rollt es für jene Zeitgenossen, die aus oft durchaus legitimen und nachvollziehbaren Gründen ihr Auto benutzen wollen oder müssen.

Der Raum für das Auto ist gerade in unseren Städten endgültig nicht mehr erweiterbar. Er wird im Gegenteil notwendigerweise schrumpfen: nämlich um den Bürgern Europas jene Lebensqualität zurückzugeben, die betongeile Planierraupen-Hunnen im Dienste des „Tout automobile“ zwischen 1950 und 1990 in unseren Städten rücksichtslos gemeuchelt hatten.

Nein, liebe Petrolheads, das alles hat herzlich wenig mit eurem Popanz des „Öko-Kommunismus“ zu tun: Vielmehr ist die erdrückende Dominanz des Autos im öffentlichen Raum schlicht nicht mehr mit dem vereinbar, was moderne Menschen unter einer lebenswerten Stadt verstehen. Die Zuteilung knapper Ressourcen wird im real existierenden Kapitalismus in der Regel über den Preis reguliert. Will heißen: Wer aus reinen Statusgründen grundsätzlich den ÖT verschmäht, sollte dies ruhig tun dürfen … und dafür blechen.

Die Schweiz ist vermutlich das Land mit dem besten ÖT Europas und steht trotzdem nicht gerade im Geruch, eine öko-kommunistische Diktatur zu sein. Die Schweizer haben begriffen, dass es – auch wenn ihnen absolut freisteht, ihr Auto zu benutzen – oftmals ganz einfach sinnvoller, bequemer, billiger … und mithin schlauer ist, den ÖT zu benutzen.

In Städten wie Zürich, Basel oder Genève merkt man schnell, dass die kleinbürgerliche ÖT-Phobie, an der zahlreiche Luxemburger zu leiden scheinen, den meisten Eidgenossen fremd ist. Das hängt allerdings auch, wie oben schon angedeutet, mit dem Begriff des Bürgersinnes zusammen. Der offensichtlich bei den Helveten höher entwickelt ist als bei uns.