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Ende der Bescheidenheit

Ende der Bescheidenheit
(Alain Rischard/editpress)

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Eine Gewerkschaft im gesellschaftlichen Wandel

Während die Parteipolitiker auf anstehende Personalien schielen (heute wird der CSV-Spitzenkandidat auf Cents bestimmt und die vergangene Woche endete mit eifrigen Spekulationen um eine eventuelle Regierungsumbildung), rief der OGBL rund 40 Delegierte auf Kirchberg zusammen, um die Statuten, also das Regelwerk, nach dem eine Organisation funktioniert, zu modernisieren.

Was arg langweilig klingt, hat doch im Jahr 100 nach Gründung der freien Gewerkschaften weitreichende Auswirkungen.

Die Vertreter der Interessen der Menschen, die ihre Zeit, ihre Arbeitskraft, ihr Wissen und ihre Intelligenz gegen Lohn zur Verfügung stellen, haben sich immer wieder an die gesellschaftlichen Gegebenheiten anpassen müssen und wollen.

Die spektakulärste Anpassung dieser Art geschah 1979, als der OGBL als Gewerkschaft nicht nur der Arbeiter, sondern auch aller anderen Angestellten gegründet wurde. Der LAV („Lëtzebuerger Aarbechterverband“) sprengte damals seine eigenen Grenzen und die Basis für eine starke Gewerkschaft mit großer gesellschaftlicher Macht wurde gelegt.

Glaubt man den Zeitzeugen, war der statutarische Übergang von einer Organisationsform in eine neue, breitere, damals mit recht viel Geschrei verbunden.

Der Statutenkongress vom vergangenen Samstag fand zwar, abgesehen von der Eröffnungsrede des Präsidenten, unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, es ist aber anzunehmen, dass die Stimmung eine andere war als bei der 79er-Reform; die Neuerungen waren wohl auch weniger spektakulär, wenn auch nicht weniger notwendig.

Wer den Ablauf der bisherigen Generalversammlungen (mit Jubilaren-Ehrungen oft die wichtigsten Aktivitäten im Sektionsjahr) kennt, der weiß, dass diese Form der Treffen von Gewerkschaftern einer vergangenen Zeit angehört. Die große Bedeutung, die Lokalsektionen noch vor hundert Jahren hatten, als die Menschen dort lebten, wo sie arbeiteten, als sie kaum mobil waren und Orte wie die Gewerkschaftsheime brauchten, um unbeobachtet von oft unfreundlicher Gendarmerie und Polizei diskutieren und planen zu können, haben die geografischen Strukturen längst nicht mehr.

Angesichts schwindender Besucherzahlen, die jenen des OGBL insgesamt diametral entgegenstehen, drängte sich eine Reorganisation regelrecht auf. Diese wurde Ende 2014 beschlossen und nun umgesetzt.

Nach der Statutenreform (vergl. unsere Berichterstattung auf Seite 10) können die Sektionen nun ihren Aufgaben besser gerecht werden, zu denen auch die Verbreitung und Erläuterung der Gewerkschaftspolitik gehört. Und dies wird in den kommenden Monaten und Jahren von höchster Bedeutung sein.

Der OGBL verabschiedete auf oben erwähntem Kongress auch eine Resolution, in der die Organisation ein Ende der Bescheidenheit ankündigt, jedenfalls was die Tarifpolitik betrifft.
Die Krise sei vorbei, stellt die Gewerkschaft fest, jetzt sei es an der Zeit für substanzielle Lohnerhöhungen, und das nicht nur beim Mindestlohn.