Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei verlangt Präsident Recep Tayyip Erdogan von den USA die Auslieferung oder Festnahme des Predigers Fethullah Gülen. Erdogan hält den im US-Staat Pennsylvania lebenden Gülen für den Drahtzieher der Militäraktion. US-Außenminister John Kerry erklärte, Washington werde ein etwaiges Auslieferungsersuchen prüfen und «angemessen» darüber entscheiden.
Erdogan wandte sich am Samstag mit seiner Forderung direkt an US-Präsident Barack Obama. Wenn die USA und die Türkei tatsächlich strategische Partner seien, müsse Obama handeln, sagte der türkische Präsident in einer Ansprache am Samstagabend vor Anhängern in Istanbul.
Gülen ist seit einem schweren Zerwürfnis 2013 einer der heutigen Erzfeinde Erdogans. Der islamische Prediger hat den Vorwurf zurückgewiesen und den Putschversuch von Teilen des Militärs scharf verurteilt.
Kerry äußerte sich in Luxemburg
Kerry hatte sich – quasi schon präventiv – vor Erdogans Aufforderung bei einem Aufenthalt in Luxemburg geäußert. Die USA seien dazu bereit, Ermittlungen zu unterstützen, um herauszufinden, wer den Putschversuch in der Türkei initiiert habe und woher die Unterstützung gekommen sei, sagte der US-Chefdiplomat. Gehe ein Auslieferungsersuchen ein, werde es «in Betracht gezogen».
«Selbstverständlich laden wir die Regierung der Türkei ein, wie wir es immer tun, uns jegliche legitime Beweise vorzulegen, die einer Prüfung standhalten», fügte Kerry hinzu.
Die Erdogan-Anhänger feiern
In der Türkei ist die Erleichterung über das glimpfliche Ende des Putschversuches groß. Auf dem Taksim-Platz in Istanbul haben sich am Samstagabend etwa tausend Anhänger des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan versammelt und den Sieg über die Putschisten gefeiert. Viele schwenkten die türkische Flagge und riefen «Gott ist groß», berichtete eine dpa-Reporterin.
Auch auf der Unabhängigkeitsstraße in Istanbul schwenkten die Menschen Fahnen, Autos fuhren laut hupend die Straße entlang. Seit den Protesten in der Türkei im Jahr 2013 sind regierungskritische Demonstrationen auf dem Taksim-Platz grundsätzlich verboten.
Griechenland liefert Putschisten aus
Acht türkische Soldaten hatten sich per Hubschrauber nach Griechenland abgesetzt und dort politisches Asyl beantragt. Sie sollen nach türkischer Darstellung bald wieder zurückgeschickt werden. Der griechische Außenminister Nikos Kotzias habe ihm am Telefon die Auslieferung «der acht Verräter» in kürzester Zeit zugesagt, teilte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Samstag auf Twitter mit. Athen bestätigte das Telefonat, äußerte sich aber zurückhaltender.
Am Abend trafen 13 türkische Militärs an Bord eines türkischen Militärhubschraubers in Alexandroupolis ein. Sie sollen den türkischen Hubschrauber vom Typ «Black Hawk» abholen, mit dem die angeblichen Putschisten nach Griechenland gekommen waren. Entsprechende Videoaufnahmen zeigte der griechische Nachrichtensender Skai am Samstagabend.
Ob und wann die acht angeblichen Putschisten in die Türkei ausgeliefert werden sollen, war am Samstagabend unklar. Griechische Juristen rechneten mit einem Asylverfahren, das bis zu 20 Tage dauern könnte.
Soldaten spielen die Unschuldigen
Die Soldaten bekräftigen nach Aussagen ihrer Verteidiger, sie hätten nichts von einem Putsch gewusst. Sie seien lediglich beordert worden, Verletzte mit ihren Hubschraubern zu transportieren. Als sie von türkischen Polizeikräften unter Beschuss genommen worden seien, hätten sie beschlossen, an Bord einer ihrer Hubschrauber nach Griechenland zu fliegen und dort Asyl zu beantragen. Sie hätten Angst, «als Putschisten bezeichnet zu werden», sagte eine Verteidigerin im griechischen Fernsehen.
Rund 200 Mitglieder einer türkischstämmigen Minderheit in Griechenland demonstrierten indes am Flughafen in Alexandroupolis für die Auslieferung der angeblichen Putschisten an die Türkei.
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