Täglich von 10.00 bis 17.00 Uhr, noch bis zum 29. Juli, bewohnen die Bürger ihre Mini-Stadt. Organisiert wird dieses Ereignis von der Gemeinde Junglinster und der „Maison relais Päiperlék“. Es gibt eigens festgelegte Spielregeln in Form einer Art Verfassung von Mini-Lënster und auch ein Strafrecht. Letzteres legt den Umgang mit Kindern fest, die negativ aufgefallen sind, zum Beispiel durch Diebstahl. Hierfür gibt es im Spielpass eine Extra-Seite, die als Strafregister benutzt wird. Zur Streitschlichtung gibt es sogar ein „Mediatiounseck“, das allerdings nicht oft gebraucht zu werden scheint, da alles so weit friedlich abläuft. Die Besichtigungen, die nur in Form von Führungen möglich sind, werden von den Kindern geleitet.
Rund 600 Kinder aus 19 verschiedenen „Maison relais“ sind täglich vor Ort, zusätzlich 40 Erzieher und 30 Studenten, die sich hauptsächlich zurückhalten und als Stützen fungieren. Besondere Wichtigkeit wird der Freiheit der Kinder zugesprochen, ihre eigene Stadt so zu gestalten, wie es ihnen gefällt. Dieses Projekt ermöglicht es den Kindern, bestimmte Situationen aus dem Erwachsenenleben kennenzulernen und diese leichter zu verstehen. So hat Mini-Lënster sogar einen eigens gewählten Bürgermeister und Schöffenrat.
Demokratie und Autonomie
„Es geht darum, den Kindern Demokratie, Autonomie und Problembewältigungs-Kompetenzen spielend beizubringen“, betonte ein verantwortlicher Erzieher. In der „Stadt, in der die Kinder das Sagen haben“, fand gestern die „journée officielle“ statt. Und siehe da, neben dem Botschafter aus Mini-München gab es sogar Besuch von landespolitischer Ebene. Premierminister Xavier Bettel und Arbeitsminister Nicolas Schmit gaben sich die Ehre zum Stadtbesuch und wurden vom Bürgermeister von Mini-Lënster höchstpersönlich herumgeführt. Eine Delegation aus Mini-Salzburg ist im Laufe der nächsten Woche zu Besuch. Auf internationaler Ebene hat „Mini-Lënster“ mit den Kinderspielstädten Mini-München, Mini-Salzburg, Mini-Bozen, Mini-Regensburg und Mini-Pilsen sogar eigene Partnerstädte.
Beim Betreten der „Stadt“ muss im Bürgerbüro, wo die Kinder auch ihre Essensmarken erhalten, ein eigens ausgestellter Spielpass vorgezeigt werden, um Zutritt zu erhalten.
Anschließend stehen Erwerb und Ausführung einer Arbeit im Mittelpunkt. Die Jobs werden selbstverständlich auch bezahlt und die Arbeit mit einem Stempel bestätigt. Zur Unterstützung bei der Suche steht ein Arbeitsamt zur Verfügung. Der Lohn wird von der Bank nach Vorzeigen des Stempels im Spielpass je nach Arbeitsdauer ausbezahlt, kann aber auch auf einem Konto gespart werden. Bewusst orientiert man sich am Erwachsenenleben; somit wird den Kindern neben einem gesunden Umgang mit Geld auch Selbstständigkeit beigebracht. Der erst am Mittwoch gewählte Vorstand der Spielstadt definierte im Interview mit dem Tageblatt die von ihm angestrebten politischen Ziele. Neben Lohnerhöhungen – denn es gibt einen fixen Stundenlohn von fünf Lënsto pro Stunde für die Arbeiter jedes Alters und aller Fachbereiche –, der Einführung einer Art Arbeitslosengeld, dem Entwickeln des Arbeitsplatzangebots will man auch mehr in Freizeitaktivitäten investieren und vor allem die Kriminalität eindämmen.
An Ernst bei der Sache mangelt es offensichtlich nicht. Rund 45 Ateliers stellen insgesamt ein Arbeitsangebot von rund 350 Stellen zur Verfügung, die allesamt besetzt sind. Dies entspricht einer Arbeitslosenquote von 0 Prozent und könnte Bettel und Schmit als eine Art Ansporn dienen. Geschäftsgründungen müssen offiziell beantragt und genehmigt werden. Aus der Betriebssteuerkasse, die mit 20 Lënsto pro Betrieb pro Tag befüllt und vom Stadtentwicklungsbüro verwaltet wird, werden auch Subventionen an neu gegründete Geschäfte ausbezahlt. Außerdem wird von den Unternehmen auch Miete verlangt.
Jede Menge Aktivitäten
Die Liste der angebotenen Aktivitäten ist lang: Sie reicht von Kunst-, Musizier- und Theaterateliers über verschiedenste Handwerks- und Bastelstellen bis zu einer Zirkusschule. Neben einer ärztlichen Einrichtung sind in Mini-Lënster auch Feuerwehr und Polizei vertreten. Die Medien kommen aber auch nicht zu kurz, es gibt ein eigenes Fernsehen, eine Zeitungsredaktion und einen Radiosender. Im Verkehrsgarten haben die Kinder die Möglichkeit, einen Führerschein zu erlangen. Doch das Spielen kommt natürlich nicht zu kurz. Neben Spielständen, Spielgeräten, Tischfußball, einer Playstation, einem Pokéstop-Raum und vielem mehr, können die Kinder sich in einem der drei Planschbecken abkühlen oder an Wasserschlachten teilnehmen.
Des Weiteren gibt es ca. 150 Sport- und Studienplätze am Sportplatz und an der ministädtischen Universität. An dieser ist es sogar möglich, einen Abschluss in den gängigen Graden Bachelor, Master und Doktor zu erlangen. Wie in jeder Stadt dürfen Post, Bank und Supermarkt nicht fehlen, worüber Mini-Lënster natürlich auch verfügt. In einem eigens dafür angelegten „Gebäude“ wird über die Kinderrechte informiert. Diese sind zusätzlich auf der künstlerisch gestalteten Fassade nachzulesen. Am vergangenen Mittwoch war die Musikgruppe „Knupperten“ des „Tricentenaire“ im Musikatelier zu Gast. Sie erklärte und zeigte den Kindern den Umgang mit Musikinstrumenten und spielte anschließend zusammen mit ihnen auf der Stadtbühne. Für die richtige Stärkung ist ebenfalls gesorgt; die Kinder erhalten mittags ein Menü, das im Teilnahmepreis von 14 Euro inbegriffen ist. Getränke erhält man an der Cocktailbar, die jedoch keinerlei alkoholische Getränke serviert. Im Backatelier werden laufend Kuchen gebacken, die dann im Elternbistro angeboten werden. Dies ist der einzige Ort in Mini-Lënster, an dem es möglich ist, in der Fremdwährung Euro zu bezahlen.
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