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Realpolitik

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(Alain Rischard/editpress)

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Schwieriges Verhältnis zwischen der EU und der Türkei

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan macht es den Fürsprechern einer Fortsetzung von EU-Beitrittsverhandlungen zusehends schwerer, an ihrer Linie festzuhalten und diese gegenüber einer zu Recht kritischen Öffentlichkeit zu verteidigen. Bereits vor dem Putschversuch in der Türkei hatte Erdogan mit seinen autoritären Tendenzen bei den Europäern in zunehmendem Maße Unbehagen entfacht. Sein Drang, ein auf ihn zugeschnittenes Präsidialsystem zu schaffen und gleichzeitig die Gesellschaft nicht nur immer mehr zu kontrollieren, sondern diese auf islamisch geprägte Wertvorstellungen einzuschwören, hat nicht nur seine Kritiker und Gegner im eigenen Land hellhörig gemacht.

Kein Wunder daher, dass nicht nur in sogenannten westlichen Medien, sondern auch etwa im katarischen Nachrichtenkanal Al-Dschasira gleich in den ersten Stunden des später gescheiterten Staatsstreichs die These aufgestellt wurde, dass der Präsident womöglich den Bogen überspannt habe und sich das dem laizistischen Erbe des Staatsgründers Kemal Atatürk weiterhin verpflichtete Militär genötigt sah, dem Treiben des starken Mannes am Bosporus ein Ende zu setzen.

Angesichts des stümperhaften Vorgehens der Putschisten und des daraus resultierenden und schnell festgestellten eher geringen Gefahrenpotenzials für die herrschende politische Ordnung fällt die Reaktion der türkischen Führung gelinde gesagt unverhältnismäßig aus. Diese funktionierte die sicherlich notwendige Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung quasi in einen Gegenputsch um und „säubert“ seitdem nicht nur die staatlichen Strukturen von, wie zumindest behauptet wird, Anhängern der oppositionellen Gülen-Bewegung. Letzte Opfer in der bestimmt noch nicht abgeschlossenen Welle von Entlassungen und Verhaftungen sind einige Dutzend Journalisten. Zu den Vertretern der Meinungs- und Pressefreiheit hat das türkische Staatsoberhaupt längst ein gestörtes Verhältnis, so Erdogan nicht ohnehin diese für das Gedeihen von Demokratien grundlegenden Freiheiten beim Regieren als eher hinderlich betrachtet.

Der somit beobachtete Umgang mit grundlegenden Werten und Prinzipien wie Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte hat die politische Klasse in der EU zwar aufgeschreckt, reagiert hat aber vornehmlich die zweite Reihe mit der Forderung, Sanktionen gegen das Regime in Ankara zu verhängen. Worauf einzugehen die erste Garnitur der politischen Klasse nicht einmal denkt, zu sehr hat Erdogan diese mit dem unseligen Flüchtlingsdeal in der Hand. Nun rächt sich, dass die EU-Staaten weder eine innereuropäische Lösung der Flüchtlingskrise hinbekommen noch eine internationale Lösung dieser Krise angestrebt haben.

Und so kommt es, dass den EU-Europäern scheinbar nichts anderes übrig bleibt, als sich als einziges Zeichen ihres Protestes gegen die flagrante Missachtung ihrer Grundwerte auf die bisherige Praxis zu verlegen, die Beitrittsverhandlungen mit Ankara im Leerlauf vor sich her dümpeln zu lassen. Das ist für den alten Kontinent alles andere als glorreich, ist aber mit dem Begriff Realpolitik treffend umschrieben.