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«Wie ein Tier im Zoo»

«Wie ein Tier im Zoo»
(Daniel dal Zennaro / dpa)

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Was machen Fans, wenn sie ihren Star zufällig in einer Bar treffen? Einige lassen ihn in Ruhe, die meisten fragen aber wohl nach einem Selfie.

Dieses Foto ist in den vergangenen Wochen online millionenfach geteilt worden – und es sagt viel aus über die «Generation Smartphone». Die US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton winkt ihren Anhängern zu. Und die Fans? Die drehen Clinton den Rücken zu. Um mit ihren Smartphones ein Selfie zu machen. Mit dem eigenen Gesicht im Vordergrund, im Hintergrund eine lächelnd-winkende Clinton. Ein toller Schnappschuss, um ihn Freunden auf Facebook und Twitter zu zeigen.

«Social Media ist, wenn alle von dir wegschauen, um dich zu teilen», twitterte danach Martin Oswald, Leiter von SRF-Online. «Der Rücken seines Gegenübers als neue Form der Anerkennung», beschreibt der Online-Branchendienst «Meedia» das Selfie-Phänomen. Darüber diskutieren auch viele Prominente, die fast täglich diese Form der «Anerkennung 2.0» zu spüren bekommen.

«Dieser Selfie-Wahnsinn heute geht mir dermaßen auf den Geist. Ich finde es traurig», sagt Sänger Andreas Bourani (32) im dpa-Interview. «Wenn ich Leuten begegne, haben sie überhaupt kein Interesse daran, mit mir zu reden und mich kennenzulernen. Dann hätte ich auch was von der Begegnung. Ich bin sehr an Menschen interessiert, an den Geschichten, was sie erlebt haben, woher sie kommen. Aber die Leute wollen sich nur noch mit mir zeigen, um es dann anderen zu zeigen.»

Der Star-Schnappschuss als Statussymbol. Früher fragten Fans ihre Idole nach einem Autogramm, konnten dabei Nettigkeiten austauschen. «Wie heißt du?», «Woher kommst du?», «Kathrin mit ‹th›?» Der Selfie-Jäger hingegen ist damit beschäftigt, sein Smartphone zu entsperren und die Kamera richtig zu bedienen. «Mist, noch eins.» «Ich habe keinen Speicherplatz mehr.» Probleme, die so manchen Prominenten auf die Palme bringen.

«Das Schlimme daran ist: Es ist gar nicht auf meine Person bezogen. Wenn ich ein anderer Prominenter wäre, dann würden sie auch ein Foto mit mir machen wollen. Und zwar überall. Ob im Restaurant oder wo auch immer. Und das nervt wirklich sehr», gibt der Augsburger Bourani offen zu.

Teenie-Star Justin Bieber (22) hat die Nase voll, für Fotos mit Fans auf der Straße zu posieren. «Ich fühle mich wie ein Tier im Zoo», schrieb der damals auf Instagram. «Ich schulde niemandem ein Foto.» Das sitzt. Den Plattenverkäufen schadet das im Fall Bieber aber wohl nicht. Auch seine Konzerte sind ausverkauft.

Spätestens dort – von der Bühne aus – sieht er sie dann wieder vor sich – die Smartphones, die dunkle Konzerthallen mit ihren Kameras erleuchten. Denn auch dort darf das obligatorische Selfie nicht fehlen.

«Man guckt ja teilweise nur noch in diese Lichter und sieht gar keine Gesichter mehr. Ich verstehe nicht, warum man nicht den Moment genießen kann und alles immer einfangen muss mit dem Smartphone», ereifert sich der «The Voice of Germany»-Coach Bourani.

Er wolle die neue Technik auf keinen Fall «verteufeln» und sei selbst in sozialen Netzwerken aktiv. «Aber man muss es immer als Werkzeug betrachten, es darf einen nicht übermannen oder Kommunikation zwischen Menschen ersetzen.»