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«Motor und treibende Kraft für sozialen Fortschritt»

«Motor und treibende Kraft für sozialen Fortschritt»
(AlainRischard/Editpress)

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Am Mittwochabend beging der OGBL mit einer feierlichen akademischen Sitzung auf dem Campus Belval das Jubiläum "100 Jahre freie Gewerkschaften". Großherzog Henri, Premierminister, Minister, Parlamentspräsident, Abgeordnete, sog. "forces vives" der Nation: ALLE waren gekommen.

Sie wurden Zeugen eines würdigen Festakts, untermalt mit Auszügen aus dem Andy-Bausch-Film «Streik!» sowie Live-Musik von André Mergenthaler und Serge Tonnar. Die Moderation oblag Paul Thiltges, der gleich zu Beginn verkündete, dass kommende Woche der Kino-Film ebenfalls auf DVD erscheinen wird. Auch das Buch zum Jubiläum wird kommende Woche vorgestellt werden.

Den Auftakt der Reden im großen Hörsaal der Universität machte natürlich der «Hausherr», OGBL-Präsident André Roeltgen. Seine einleitende Feststellung war, «dass unsere Organisation die Luxemburger Sozialgeschichte nicht nur mitgeschrieben hat; sie war zu jeder Zeit der Motor, die treibende Kraft für den sozialen Fortschritt in unserem Land.»

«Dampfwalze liberales Wirtschaftsmodell»

Dies sei der erste Gedanke, der einem komme, denke man an ein solches Jubiläum … aber nicht unbedingt der richtige, so Roeltgen. Das Wichtigste, das seien nämlich die zehntausenden Gewerkschafter, Frauen und Männer, die in den 100 Jahren diese Gewerkschaft gegründet und Schritt für Schritt aufgebaut hätten. «Sie stehen im Mittelpunkt dieser Feier, denn sie haben verstanden, dass man als Arbeitnehmer, dessen einziges Kapital seine Arbeitskraft ist, die er verkauft, nur als organisiertes Kollektiv Einfluss auf seine soziale Situation nehmen kann», so der OGBL-Präsident.

André Roeltgen ging auf Rolle, Missionen und Geschichte der freien Gewerkschaften ein, mit Ausblick in die Zukunft. Der nicht immer rosig ausfiel, so z.B. als er das europäische «liberale Wirtschaftsmodell, das wie eine Dampfwalze über die Sozialmodelle fährt», ansprach. Auf europäischer Ebene gebe es viele Defizite was den Sozialdialog angehe, aber auch in Luxemburg seien die letzten 15 Jahre nicht immer einfach gewesen. In dieser Hinsicht war es die Aussage, dass die aktuelle Regierung 2014 die «Notbremse» gezogen habe, was das Luxemburger Sozialmodell angehe.

«Eine gespaltene Gewerkschaftsszene»

Er profitiere dann auch von der Gelegenheit, in Anwesenheit sehr vieler Vertreter der sog. «forces vives» einen Aufruf an die «responsabilité partagée» all dieser Akteure zu machen, was Sozialdialog und sozialen Frieden angehe.

Roeltgen ging auf zukünftige Herausforderungen ein, und es verwundert nicht, dass in diesem Zusammenhang die Forderung nach der Einheitsgewerkschaft ebenfalls Thema war. Und zwar in sehr deutlichen Worten: «Wir haben eine Regierung, eine UEL und eine gespaltene Gewerkschaftsszene. Das macht keinen Sinn mehr.»

Einheitsgewerkschaft: «objektive Notwendigkeit»

Seit der Gründung des OGBL 1979 habe man 37 Jahre in dieser Angelegenheit verloren: «Jeder Tag mehr, an dem wir die Einheitsgewerkschaft noch nicht verwirklichen, ist ein Tag mehr überflüssiger Verschwendung von Mitteln und v.a. von Potenzial. Potenzial, das die Gewerkschaftsbewegung im Interesse der arbeitenden Menschen einsetzen könnte.» Manche würden diese Worte als Provokation empfinden, so André Roeltgen, «aber das ändert nichts an der Realität und der objektiven Notwendigkeit».

Die Vision des OGBL sei die «von Frieden, von Demokratie und von Wohlstand für jeden. Hier in Luxemburg und überall in der Welt», schloss André Roeltgen seine Rede.

“Stets den Ball gespielt, nie den Mann”

Nach dem OGBL-Präsidenten richteten sich die Escher Bürgermeisterin Vera Spautz und Premierminister Xavier Bettel mit einem Grußwort an die rund 750 Gäste. Spautz, langjährige Vizepräsidentin des OGBL, ging in einigen persönlichen Worten auf die enge Verbindung der Gewerkschaft mit der Industriestadt Esch ein. Sie ging v.a. auf die menschliche Komponente ein, die auch in Zukunft «der Kompass unseres gemeinsamen Engagements” sein müsse.

Xavier Bettel hob zunächst hervor, dass Politik kein Selbstzweck sei, sondern ein Dienst an der Allgemeinheit. Als Generation, die keinen Krieg kannte, habe man die Pflicht, das Erbe der Eltern und Großeltern hochzuhalten: «Für Frieden, für Solidarität.” Darin habe der OGBL sehr viel Erfahrung, so Bettel weiter. Die Art und Weise des Sozialdialogs in Luxemburg sei wohl einzigartig. Durch die derzeitige, extrem schnelle gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung würde man nun aber auf allen Ebenen vor neuen riesigen Herausforderungen stehen.

Spautz, Bettel, Nilsson, Scuto

Der Premier schloss seine Ausführungen mit einem persönlichen Dankeschön an den aktuellen Präsidenten André Roeltgen: “Auch wenn die Diskussionen in den vergangenen Jahren mal heftiger ausfielen, ging es immer nur um die Sache. Stets wurde der Ball gespielt, nie der Mann. Damit sind Sie ein würdiger Vertreter des 100-jährigen OGBL.»

Für den europäischen Gewerkschaftsbund EGB überbrachte anschließend Veronica Nilsson, beigeordnete EGB-Generalsekretärin, die Glückwünsche. Sie hob besonders die hohe gewerkschaftliche Durchdringung in Luxemburg hervor. Nilsson skizzierte in ihrem Grußwort kurz die gewerkschaftlichen Herausforderungen auf europäischer Ebene.

Der Reigen der Ansprachen wurde mit einem Referat von Historiker Denis Scuto über “100 Jahre freie Gewerkschaften” abgeschlossen. Scuto ist mit Frédéric Krier, Arnaud Sauer und Jacques Maas auch einer der Ko-Autoren des Jubiläumsbuchs, das wie erwähnt kommende Woche vorgestellt wird.

Alle Details zum Festakt finden Sie in der Tageblatt-Ausgabe vom 20. Oktober (Print und E-Paper).