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Orangefarbener Albtraum

Orangefarbener Albtraum
(Alain Rischard)

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Die USA schreiten zur Schicksalswahl

Präsident Donald Trump oder Präsidentin Hillary Clinton: Dass beide Kandidaten eine realistische Chance haben, wäre vor einem Jahr noch undenkbar gewesen. Und doch haben sich die Spitzenkandidaten ein enges, schmutziges Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert, das heute sein Ende nimmt.

Man sollte sich aber nichts vormachen: Das Wahlergebnis wird keineswegs zur Entkrampfung dieses innenpolitisch tief gespaltenen Landes führen. Sollte Clinton das Rennen für sich entscheiden, drohen heftige soziale Unruhen, die von „The Donald“ befeuert werden. Gewalt und andere brutale Szenarien sind nicht auszuschließen. So hat Nathan Damigo, Gründer von „Identity Europa“, bereits angekündigt, im Falle einer Niederlage Trumps eine Art „White lives matter“ ins Leben zu rufen. Weiße Interessen könnten dann „außerhalb des Systems“ mit „alternativen Optionen“ verteidigt werden … Acht Jahre nachdem der erste schwarze US-Präsident ins Weiße Haus einzog, scheint das „Post-racial America“ weiter entfernt denn je.

Auch das ohnehin schwache Vertrauen in die Institutionen ist mittlerweile komplett im Keller – und dies zu Recht. Blickt man auf verschiedene Ereignisse, so liegen die Amerikaner mit ihrem Misstrauen gar nicht einmal so falsch. Die Art und Weise, wie sich etwa FBI-Direktor James B. Comey in den Wahlkampf eingemischt hat, ist skandalös. Entgegen geläufigen Darstellungen gab es bereits in der Vergangenheit ähnliche Phänomene. Allerdings wurde noch nie so viel geleakt, getrickst und eine Wahl derart zu einem inhaltslosen Spektakel degradiert. Ein Beispiel: Wer seine Stimme bereits bei einer Vorwahl abgab, als Comey Clintons E-Mail-Affäre mit seinem umstrittenen Brief anfeuerte, stimmte wohl oder übel unter dem Eindruck dieses Ereignisses ab. Das FBI hat aber mittlerweile einen Rückzieher gemacht. Wozu also das ganze Drama? Wieso etwas ankündigen, das am Ende vom FBI entgegen dem ersten Eindruck als gegenstandslos eingestuft worden ist? Wieso mit der Tradition brechen, Ermittlungen im Vorfeld einer Wahl nur zu veröffentlichen, wenn sie abgeschlossen sind?

Die Schlammschlacht ist ein Desaster

Die Schlammschlacht ist ein Desaster und dürfte weder Trump- noch Clinton-Unterstützer von der Gesundheit des politischen Systems überzeugt haben. Der handfeste Streit innerhalb des FBI, gekoppelt an Machtkämpfe mit dem State Department und dem Justice Department, bestätigt lediglich den Eindruck, dass hinter den Kulissen wohl tatsächlich so manches „rigged“ ist – woran allerdings auch die Partei des Urhebers dieses scheußlichen Ausdrucks maßgeblich beteiligt war. Dies dürfte Trump aber wenig stören, stänkert er doch fast am liebsten gegen seine „schwachen“ Republikaner. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen würde Clinton für viele Amerikaner als angeschlagene und unter Generalverdacht stehende Präsidentin ihr neues Amt bekleiden.

Doch was passiert, wenn der orangefarbene Demagoge und Faschist, der gegen Schwarze, Latinos, Frauen, LGBT, Behinderte, Kriegsveteranen und Journalisten wettert, das Rennen für sich entscheidet? Es wäre pure Ironie. Trump hätte am Ende recht behalten: Ein Parteien- und Wahlsystem, das einen Vollblutdilettanten wie ihn an die Spitze der mächtigsten Militärmacht befördert, ist kaputt, gefährlich und gleicht eher einem orangefarbenen Albtraum als dem „American Dream“.