Das Facebook-Video der Holocaust-Überlebenden Gertrude ist ein Warnruf vor der unseligen Wirkung rechter Demagogen. «Das Niedrigste aus dem Volk, aus den Leuten herausholen. Nicht das Anständige» – in einfachen Worten und ungelenken Sätzen spricht die 89-jährige Wienerin in dem fünfminütigen Unterstützer-Film für den Grünen-nahen österreichischen Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen. Die alte Dame meint, die Weltsicht der FPÖ und ihres Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer erinnere sie an dunkle Zeiten. Mehr als drei Millionen Mal wurde das Video angeklickt.
Ob der Film die Stimmung unter den 6,4 Millionen Wahlberechtigten in Österreich beeinflussen kann, weiß niemand. «Aber ein Nadelstich gegen die FPÖ ist er schon», ist der Politologe Peter Filzmaier überzeugt. Wahlempfehlungen von Alltagsmenschen seien wirksamer als die von Prominenten. «Eine Gertrude kann die FPÖ nicht angreifen. Sie hat kein Eigeninteresse, sondern sagt nur ihre Meinung.» Es bleibt auf alle Fälle spannend. Fast jeder erwartet am Sonntag ein Kopf-an-Kopf-Rennen von Van der Bellen (72) und Hofer (45) um den Einzug in die Wiener Hofburg.
Vor rund sechs Monaten lag der 72-jährige Wirtschaftsprofessor knapp 31 000 Stimmen vor Hofer. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) frohlockte: «Europa fällt ein Stein vom Herzen.» Nach der Annullierung der Wahl wegen organisatorischer Schlampereien sind die Vorzeichen zum Ausgang nun schwierig zu deuten. Fest steht nur: Ein Sieg des FPÖ-Kandidaten wäre der bisher größte Triumph der Rechtspopulisten in Europa.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können