Das Europäische Parlament wählt kommende Woche seinen neuen Präsidenten. Seit Wochen schon steht diese Wahl im Fokus der Aufmerksamkeit der EU-Parlamentarier, war es doch, entgegen der sonst üblichen Praxis, bislang nicht möglich, bereits vor dem Urnengang einen Konsenskandidaten zwischen den Hauptfraktionen auszuhandeln. Der Grund: Die Sozialdemokraten wollten das Mandat des bisherigen Amtsinhabers Martin Schulz ein zweites Mal um zweieinhalb Jahre verlängern. Die Konservativen der Europäischen Volkspartei (EVP) hingegen wollten nicht mitziehen und beriefen sich dabei auf eine 2014 geschlossene Vereinbarung, nach der es zur Mitte der Legislaturperiode zu einem Wechsel an der Spitze des EP kommen sollte.
Entnervt hat Martin Schulz vor einigen Wochen aufgegeben und will nun in der deutschen Politik eine neue Karriere beginnen. Trotz der Fürsprache des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker für den Verbleib des Deutschen als Vorsitzender der europäischen Volksvertretung mochten die EVPler im Parlament nicht von ihrer Position abrücken. Juncker verliert damit einen wichtigen Verbündeten, der ihm nicht nur den Rücken im EP freihielt und wenn nötig bei eventuellen Auseinandersetzungen mit dem Rat, also den EU-Mitgliedstaaten, beistand. Martin Schulz verfolgte ebenfalls einen offensiv pro-europäischen Kurs, was vor allem auf internationaler Bühne von Bedeutung ist, sind doch die EU-Staats- und Regierungschefs in dieser Hinsicht eher zurückhaltender. Dieses betont europäische Auftreten eines Martin Schulz kam wiederum auch dem Europäischen Parlament als Institution zugute, das in den vergangenen fünf Jahren ein bislang nie gekanntes Maß an Ansehen erlangte. Diesen Stil weiterzuführen, dürfte wohl nur dem ehemaligen belgischen Premierminister und derzeitigen Fraktionsvorsitzenden der Liberalen im EP Guy Verhofstadt gelingen, der Ende vergangener Woche seine Kandidatur angemeldet hat.
Das jedoch wollen die EVP-Konservativen offenbar vermeiden. Zumindest will ihr Vorsitzender, der bayerische CSU-Politiker Manfred Weber, zurück zur Jobbeschreibung eines Grüßaugust, will heißen, der EP-Präsident soll sich wieder auf seine Repräsentationsfunktionen begrenzen und keine Politik betreiben. Ohnehin hat die EVP kaum Besseres als den drögen Italiener Antonio Tajani aufzubieten; auf jeden Fall ist bisher keiner von ihnen im Plenum aufgefallen, der es mit Schulz oder Verhofstadt, auch was die oratorischen Fähigkeiten anbelangt, aufnehmen könnte. Unter anderem auch aus diesen Gründen wäre der Belgier ebenfalls für viele EVPler wählbar. Verhofstadt würde die von Schulz angestoßene Dynamik, die vom EP zugunsten der EU ausgeht, aufrechterhalten.
Beenden aber sollten die EU-Parlamentarier dieses nichts bringende System, nach dem zur Hälfte der Legislaturperiode ein neuer Präsident gewählt werden soll. Die Zeit und Energie, die auf die Neubesetzung – auch der Posten der Vizepräsidenten – vergeudet wird, könnte sicherlich sinnvoller in die legislative Arbeit investiert werden.
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