Warum kriegen Politiker und politische Parteien mit „Programmen“, die alles und das Gegenteil anbieten, so leicht Wählerstimmen? Was macht rechte Volksparteien und populistische Bewegungen so attraktiv für viele Menschen? Warum kam es zum Brexit, scheiterte Renzi, gewann Trump, ist Le Pen auf der Zielgeraden?
Und: Wieso würden die Luxemburger, wenn jetzt Wahlsonntag wäre, die Regierung stürzen und sich der CSV anvertrauen?
Obwohl die Koalition das Land nachweislich vorangebracht hat, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sozial, indem sie die aus der Juncker-Ära stammende Austeritätspolitik aufgab?
Obschon Rot-Blau-Grün die Weichen für eine sichere Zukunft allesamt richtig zu stellen wusste? Im europäischen Kontext (wo großer Schaden entstanden war) und zu Hause, finanzpolitisch, gesellschaftspolitisch?
Luxemburg ist in der Tat dabei, ein modernes, weltoffenes und deshalb erfolgreiches Land zu werden. Hier lässt es sich besser leben als bei den Nachbarn, weil die Einkommen und die sozialen Leistungen erheblich höher sind.
Knüpfen wir wieder an die erste Frage an. Warum Brexit, Trump, Le Pen?
Natürlich zuvorderst wegen der sozialen Missstände, die sich auf eine geradezu mechanische Art und Weise aus der neoliberalen Politik ergeben. Diese machte die Bahn frei für rücksichtslose Gewinnmaximierung. Unternehmen, die massiv Arbeitsplätze vernichten und dem Staat die Folgekosten aufbürden, werden an der Börse belohnt; Staaten müssen sich vor dem Urteil privater Ratingagenturen fürchten; Budgets, insbesondere für das Soziale, die Bildung, die öffentlichen Investitionen, wurden in der EU erbarmungslos zusammengestrichen.
Es geschah fast überall unter konservativer Führung, teilweise mit Unterstützung der Sozialdemokratie, leider. Es konnte geschehen, weil die allermeisten Zeitgenossen die Zeit für eine ernsthafte Prüfung der politischen Vorgänge nicht mehr haben. Des Einzelnen Zeitkonto beträgt immer nur 24 Stunden; Zeitkredite bekommt man nirgends. Soundsoviel Stunden fordern die Arbeit, die Fahrten, der Schlaf, das Essen, die Hygiene, das bisschen Freizeit, die Familie, die Freunde, und dann überfallen einen die Zeitdiebe.
Allen voran die Medien, die fälschlich sozial genannten, wie Facebook, mit ihrem ständigen Fluss von zumeist irrelevanten Dingen, dann all die anderen, mit Blickfängern gefüllten Schirme; da bleibt dem Menschen doch nur sein Bauchgefühl, wenn er sich politisch orientiert, denn für die Wissensaufnahme hatte er keine Zeit. Nun, das Bauchgefühl mag ein angenehmes sein, aber es betrügt einen eher als der klare Kopf, der mit Fakten gefüttert sein will.
Fakt ist, dass zehn Facebook-Likes, von Rechenmodellen ausgewertet, genügen, um eine Person besser einzuschätzen als ein Arbeitskollege, mit 70 Likes übertrifft das Programm den Freund bei der Einschätzung der Persönlichkeit, mit 150 die der Eltern, mit 300 die des Lebenspartners. So lassen sich Zielgruppen erstellen und anpeilen für politischen und anderen Konsum; die Trump-Profis verschickten 175.000 zielgenaue Variationen seiner Argumente allein am Tag der dritten TV-Debatte …
Sie kamen offenbar in vielen amerikanischen Bäuchen an. Wie auch die zielorientierten Variationen der CSV-Sprachregelung zu den politischen Streitsachen in vielen Luxemburger Bäuchen ankommen.
Fazit? Wer sich nicht missbrauchen lassen möchte, muss sich wohl oder übel mehr Zeit für die Politik nehmen. Am besten Zeitung lesen, aber zwei davon, mindestens!
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