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Von Fischen, Frust und Furcht

Von Fischen, Frust und Furcht
(Lars Nicolaysen)

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Tokios Fischmarkt Tsukiji ist in die Jahre gekommen und soll nun den Olympischen Spielen 2020 weichen. Der Umzug an einen neuen Ort bereitet große Probleme.

Mit einer kleinen Spitzhacke reißen die Fischhändler winzige Stücke Fleisch aus den gefrorenen Thunfischen. Während die meisten ihrer Landsleute noch im Futon liegen, beugen sich die Männer bei der morgendlichen Thunfisch-Auktion auf Tokios weltberühmtem Fischmarkt Tsukiji minutenlang über die abgeschnittenen Schwanzflossen. Prüfend zerreiben sie das Fleisch der Tiere zwischen ihren Fingern, begutachten seine Struktur, seine Faserung, die Farbe.

Vor der Auktionshalle donnern kleine Paletten-Laster mit Meerestieren aus aller Herren Länder durch die Gänge des Marktes. Um kurz nach Mitternacht treffen die ersten Ladungen ein. Von der Scholle bis zum Blauflossenthunfisch: Tsukiji, einer der größten Fischmärkte der Welt, bietet alles, was das Herz von Fischliebhabern höher schlagen lässt. Rund 1700 Tonnen werden hier tagtäglich umgeschlagen, bevor die Fische in den unzähligen Sushi-Restaurants des Archipels landen.

Wehmut

Ein Hauch von Wehmut hängt beim Anblick der Fischhändler in der Luft, wie sie in der kalten Morgenluft die begehrten Thunfische vor sich auf dem Boden in Augenschein nehmen. Denn die alten Hallen aus den 1930er Jahren sollen abgerissen werden und mit Blick auf die Olympischen Spiele 2020 in Tokio Platz schaffen für neue Häuser und breite Straßen. Geplant ist, dass der Markt in bereits fertiggestellte neue Hallen auf Toyosu, einer nur wenige Minuten entfernten künstlichen Insel am Rande der Tokioter Bucht, umzieht. Eigentlich sollte das schon im November über die Bühne gegangen sein.

Doch Tokios neue Gouverneurin Yuriko Koike hat die Pläne vorerst auf Eis gelegt. Begründung: Der Untergrund des neuen Geländes ist trotz Sanierungsarbeiten und wiederholter Untersuchungen weiter hochgradig mit Umweltgiften wie Benzol und Arsen verseucht. Auf dem Grundstück in Toyosu stand früher eine Gasfabrik. Nun sollen nochmals Untersuchungen vorgenommen werden. «Wir sind total überrascht. Uns bleibt nichts anderes übrig, als das Ergebnis abzuwarten», sagte Kenji Ohashi vom Tsukiji-Marktverband der Deutschen Presse-Agentur.

Andere sind regelrecht verärgert. «Bei der jetzigen Lage können wir nicht umziehen», schimpfte der 47 Jahre alte Zwischenhändler Yasuhiro Yamazaki kürzlich in der Zeitung «Asahi Shimbun». Egal wieviele Milliarden an Steuergeldern schon in den neuen Standort investiert worden seien, «wir gehen auf keinen Fall Kompromisse ein. Ich will Klarheit über die Sicherheit, wenn ich Fische verkaufe». Nicht nur die Stadt hat schon viel Geld investiert, sondern auch viele Händler, unter anderem für Kühlgeräte. Manche können sich den geplanten Umzug gar nicht leisten und haben bereits ihr Geschäft ganz aufgegeben.

Tsukiji-Markt

«Wir haben uns vor der ganzen Welt blamiert wegen des Fischmarktes, der die japanische Kultur des Fischessens repräsentiert», meinte der 79 Jahre alte Makoto Nozue, der seit seinem 15. Lebensjahr als Zwischenhändler in Tsukiji arbeitet. «Je länger dieses Umzugsproblem dauert, desto schwieriger wird es für die Händler, die schon so viel Geld in den neuen Standort gesteckt haben», meint auch einer seiner Kollegen. Die Stadtverwaltung solle endlich eine Entscheidung fällen.

Und so geht das geschäftige Treiben auf dem altehrwürdigen Tsukiji-Markt vorerst weiter, können Touristen aus aller Welt noch einmal die Chance nutzen und die morgendlichen Thunfisch-Auktionen besuchen. Die Blütezeiten aber sind ohnehin vorbei. Seit Jahren geht der Handel zurück, immer weniger Supermärkte und Restaurantketten brauchen Tsukiji noch und kaufen stattdessen direkt bei den Fischern.

Wurden im Jahr 2002 noch rund 640 000 Tonnen auf dem Markt in Tsukiji gehandelt, waren es 2015 nur noch 440 000 Tonnen. Von den einst mehr als 1000 Zwischenhändlern sollen heute Medien zufolge noch etwa 570 übrig sein. Nach Angaben des Wirtschaftsblatts «Toyo Keizai» haben in den vergangenen zwölf Jahren mehr als 100 Firmen dichtgemacht.