Es ist 9 Uhr am Morgen. Die Kälte der letzten Tagen weicht und auf einem kleinen Weg in der Nähe des Parking Adenauer auf Kirchberg scheinen sogar ein paar Sonnenstrahlen durch die Wolken. Kein Regen gemeldet. Perfekte Voraussetzungen, um die Drohne fliegen zu lassen. «Es ist viel zu teuer, sich einen ganzen Fuhrpark aufzubauen, und man kann ja sowieso nur mit einer fliegen», erklärt Scharfe, während er drei Drohnen auf den Betonweg legt. Nur eine gehört ihm. Die anderen hat er sich von Bekannten ausgeliehen.
Eigentlich hätte Paul Scharfe gerne einen Flugschein gemacht. «Ich wollte die Welt von oben sehen», erzählt er. Nur war dieser zu teuer. Scharfe entschied sich für die kleinen Modelle und fährt seitdem mit seiner Drohne im Gepäck durch Luxemburg. Videos und Fotos sind zu seiner Leidenschaft geworden. Das, was er durch die Linse seines Quadrokopters sieht, teilt er auf seiner Facebook-Seite «dro.pho«. Mit großem Erfolg. Seine Fans sind begeistert.
Boomendes Geschäft
Das Drohnengeschäft boomt gerade. Mittlerweile kann man sie in jedem Supermarkt kaufen. «Schon ab 25 Euro», so Scharfe. «Die sind allerdings beim ersten Aufprall kaputt.» Seine Drohne hat 2.000 Euro gekostet. Es ist das brandaktuellste Modell vom Marktführer, die DJI Phantom 4 Pro. Es hat eine hochauflösende Kamera und Infrarot-Sensoren. Sie scannen die Umgebung. Um es sich zu leisten, hat er das Vorgängermodell verkauft. «Die Technologie entwickelt sich schneller, als man sie kaufen kann», witzelt er.
Damit seine Drohne fliegen darf, musste er sich erst zwei Genehmigungen holen. Vom Grundstückbesitzer, dem «Fonds de Kirchberg», und von der «Direction de l’aviation civile», die den Flugverkehr in Luxemburg regelt. Beide hat er erhalten. «Diesmal ging es schnell, manchmal muss ich aber bis zu sechs Wochen warten, bis ich grünes Licht erhalte», erzählt Scharfe. Wer die Genehmigungen nicht hat, ist mit seiner Drohne illegal unterwegs.
Dabei bleibt es nicht. Bei jedem Drohnenflug muss er sich an strenge Auflagen halten. An diesem Morgen darf Scharfe nicht mehr als 30 Meter hoch fliegen. «Das liegt an der Nähe des Flughafens.» Er darf auch nicht über Menschen oder Tiere fliegen und seine Drohne muss immer in Sichtweite sein. Sein Modell kann theoretisch aus einer Entfernung von sieben Kilometern gesteuert werden und 500 Meter hoch fliegen. Zum Vergleich: Die höchsten Gebäude Luxemburgs, die beiden Türmen des Europäischen Gerichtshofes auf dem Kirchberg, sind 103 Meter hoch.
Die Theorie konnte er jedoch nie in der Realität umsetzen. Dafür sind die Flugauflagen zu streng. Paul Scharfe greift in seine Tasche und holt den Controller raus. «Wer Playstation spielen kann, kann auch damit umgehen», erklärt er lächelnd. Trotzdem hält er einen Drohnenschein für sinnvoll. «Die Maschinen haben einen sehr starken Motor und können, wenn sie runterstürzen oder schlecht gesteuert werden, ernsthafte Verletzungen verursachen.» Das musste Scharfe einmal am eigenen Körper erfahren. Er hat eine Narbe am Arm. Eine fliegende Drohne hatte ihn erwischt.
Beleidigungen und Mittelfinger
Sein Quadrokopter steht nun startbereit auf dem Beton. Scharfe drückt eine Taste und schon fangen die Rotoren an, sich mit tosendem Lärm in Gang zu setzen. «Klingt wie ein Bienenschwarm», beschreibt Scharfe. Die Drohne hebt ab und flitzt mit unerwarteter Geschwindigkeit in den Himmel. Seine Drohne kann bis zu 80 Stundenkilometer schnell fliegen. Sogenannte «Racing Drones», die speziell für Drohnenrennen gebaut werden, können sogar bis zu 150 Stundenkilometer auf dem virtuellen Tacho anzeigen.
Während die Maschine durch den Himmel rast, laufen Fußgänger vorbei. Sie schielen mit teilweise irritiertem, teilweise interessiertem Blick nach oben. Scharfe lächelt sie an, sagt aber nichts. Er ist die Blicke gewohnt. Und die Beleidigungen. «Die Menschen haben irgendwie Angst.» Er erzählt, dass er schon die ganze Bandbreite an luxemburgischen Schimpfwörtern gehört hat. Auch Mittelfinger hat er öfters gesehen. Einmal wurde er beschuldigt, ein Einbrecher zu sein. Er flog mit seiner Drohne in seinem Heimatdorf Niederanven rum. Jemand dachte, er sei dabei, die Häuser auszuspähen. «Privatsphäre ist natürlich ein großes Thema.» Er passe aber auf, sie immer zu respektieren.
Ein paar Clicks auf seinem Controller und schon fotografiert seine Drohne den Kirchberg ab. Auf einem kleinen Bildschirm kann Scharfe sogar die Kamera genau ausrichten, wie er sie haben will. Eines Tages würde er gerne mit den Drohnen seinen Lebensunterhalt verdienen. Bis dahin ist es allerdings ein weiter Weg. Durch seine Facebook-Seite hat er auch schon ein paar Aufträge erhalten. Seine Drohne ist beispielsweise mit den Heißluftballons auf der «Luxembourg Balloon Trophy» in Mersch mitgeflogen.
Paul Scharfe will nun eine kleine Firma gründen und sehen, ob er sein Hobby zum Beruf machen kann. Seinen Traum, die Welt von oben zu sehen, hat er sich jedenfalls erfüllt. Wenn auch nicht so, wie er es sich ursprünglich vorgestellt hatte.
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