Freitag12. Dezember 2025

Demaart Zu Demaart

Headlines

Umstrittenes Gesetz 6992

Umstrittenes Gesetz 6992
(Tageblatt-Archiv/Jean-Claude Ernst)

Jetzt weiterlesen !

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Oder schließen Sie ein Abo ab.

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Am Mittwoch steht im Luxemburger Parlament das umstrittene Gesetzesprojekt Nr. 6992 auf der Tagesordnung. Hier wird u.a. die maximale Aufenthaltsdauer von minderjährigen Flüchtlingen im "Centre de rétention" auf Findel von 3 auf 7 Tage verlängert.

Das gleiche Gesetz sieht derweil auch die Schaffung eines neuen «Titre de séjour» für Personen aus Drittstaaten vor, die bereit sind, mindestens 20 Millionen Euro für fünf Jahre in Form eines Depots bei einer luxemburgischen Bank zu «investieren». Eine Palette von Maßnahmen, die nicht eines gewissen Sarkasmus entbehrt und beim Staatsrat für Kopfschütteln sorgte. Eine formelle Opposition verkneift sich die hohe Körperschaft allerdings mit der Bemerkung, es handele sich hier um einen politischen «Choix». Gegebenenfalls reichen übrigens auch schon 500.000 Euro, um die Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Die müssen dann aber wirklich investiert werden und zur Schaffung von mindestens fünf Arbeitsplätzen führen.

Kirchberg

Vergangene Woche wurde bekanntlich angekündigt, dass sich Außen- und Immigrationsminister Jean Asselborn im Rahmen der Debatten zum Gesetzesprojekt Nr. 6992 ebenfalls zu geplanten Änderungen, was das Erstaufnahmezentrum in den Ausstellungshallen auf Kirchberg angeht, äußern werde.

Er werde dann die «Funktionsweise der ‚Rückkehr-Struktur‘ in der Halle 6 vorstellen, Funktionsweise, die erst nach diesem Datum finalisiert wird», so die Pressemitteilung von vergangener Woche.

Die Halle 6 soll bekanntlich zu einem Zentrum werden, das nur noch Flüchtlinge aufnimmt, deren Antrag bereits (in einem anderen Land) abgelehnt wurde und demzufolge nur sehr geringe Erfolgsaussichten habe.

Protest

Wegen der umstrittenen Maßnahme ruft der «Lëtzebuerger Flüchtlingsrot» zu einer Protestkundgebung am Mittwoch um 14.00 Uhr vor dem Parlament auf.

Zum Facebook-Aufruf geht es hier.

Diese Textvorlage hatte im Herbst 2016 unter dem Gesichtspunkt der Aufenthaltsgenehmigung bereits für so manche Kritik gesorgt (Link). Nun rückt der Aspekt der Aufenthaltsdauer im «Centre de rétention» – eine freiheitsentziehende Maßnahme – wieder verstärkt in den Fokus.

Europäischer Menschenrechtskommissar und Luxemburger Flüchtlingsrat

U.a. wird der Text kritisiert vom Menschenrechtskommissar des Europarates sowie dem Luxemburger Flüchtlingsrat. Letztgenanntes Gutachten wurde sogar mit Datum vom 6. Februar noch als offizielles Dokument auf der Internetseite des Parlaments (www.chd.lu) hinzugefügt, obwohl der Abschlussbericht der zuständigen parlamentarischen Kommission bereits seit 9. Januar fertig ist.

Der Straßburger Menschenrechtskommissar Nils Muižnieks schreibt u.a., eine so lange Dauer (von sieben Tagen) sei Kindern und Jugendlichen – egal ob in Begleitung von Eltern oder nicht – nicht zuzumuten, und verweist auf die Europäische Menschenrechtskonvention.

Organisation «wichtiger» als Kinderrechte?

Der «Lëtzebuerger Flüchtlingsrot», der sich zusammmensetzt aus den Luxemburger Abteilungen von Amnesty International, «Action des chrétiens pour l’abolition de la torture» (ACAT) und «Vie nouvelle», der ASTI, dem CLAE, der «Action Solidarité Tiers Monde» (ASTM) sowie dem «Centre d’étude et de formation interculturelles et sociales» (Cefis), beruft sich ebenfalls auf die Konvention und verweist zudem auf bestehende Rechtsprechungen. Außerdem stellt er die Argumentation des Gesetzgebers infrage.

Als das «Centre de rétention» eine gesetzliche Basis bekommen habe, sei sich noch auf die UN-Konvention bezüglich der Kinderrechte berufen worden, die vorschreibe, dass Kinder in solch einem Zentrum so wenig Zeit wie möglich verbringen dürften. Nun werde die maximale Aufenthaltsdauer von drei auf sieben Tage verlängert mit als Begründung «praktischen Überlegungen»: Innerhalb von drei Tagen sei eine Rückführung, vor der ein Aufenthalt im «Centre de rétention» steht, schwer zu bewältigen und würde auch kaum noch Rekursmöglichkeiten lassen.

17-fache Jurisprudenz

Demzufolge würden «organisatorische Probleme», die der Staat im Rahmen seines Auftrags laut «Flüchtlingsrot» ganz einfach zu lösen hätte, über das übergeordnete Recht des Kindes gestellt. Dies dürfe nicht sein.

Der Luxemburger Flüchtlingsrat beruft sich des Weiteren auf gleich 17-fache Jurisprudenz des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Zusammenhang mit dem Festhalten von Minderjährigen in einem «Centre de rétention».

Und schließlich hält der Rat fest, dass im Sinne des Schutzes der Kinder eine maximale Begrenzung eigentlich begrüßenswert wäre, fragt sich aber, wieso diese dann verlängert werde. Zudem zeige die Praxis, dass Familien selten länger als 48 Stunden im «Centre de rétention» auf Findel seien. Somit wird die Begründung des Gesetzgebers infrage gestellt.

Kritik bei einer «évaluation Schengen»

In einer Pressemitteilung am Montagabend war Außen- und Immigrationsminister Jean Asselborn auf die Kritik des Menschenrechtskommissars eingegangen. Hierin heißt es, dass im Rahmen einer «évaluation Schengen» im Januar 2016 Luxemburg als einziger Mitgliedstaat kritisiert worden sei, weil es eine Beschränkung der Dauer von 72 Stunden eingeführt habe, die «in der Praxis zu Problemen führe bei der Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern».

Deshalb sei beschlossen worden: «Ainsi, afin de garantir une application efficace des prescriptions du système de Schengen concernant le retour des familles avec enfants scolarisés, le Gouvernement a proposé de relever le délai de rétention des familles déboutées avec mineurs de 72 heures à 7 jours maximum. La durée de la rétention effective sera tenue au strict minimum pour chaque cas.»

Freiwillige Rückführungen: 80%

Die Mitteilung hält des Weiteren fest, dass Luxemburg nach wie vor dafür Sorge trage, freiwillige Rückführungen in Zusammenarbeit mit internationalen Organisation zu bevorzugen und zu fördern. So seien von 569 Rückkehrern im Jahr 2016 deren 456 (80 Prozent) auf freiwilliger Basis in ihr Ursprungsland zurückgekehrt.

Auch verweist die Mitteilung auf die Luxemburger Anstrengungen in puncto Flüchtlingspolitik und Flüchtlingsaufnahme der letzten Jahrzehnte: 2015 habe die Aufnahme im Vergleich zur Gesamtbevölkerung bei 0,43 Prozent gelegen (1 Schutzsuchender auf 232 Einwohner), 2016 bei 0,35 Prozent (1 auf 285). Die DPI («demandeurs de protection internationale»), die im Rahmen der EU-Relokalisierungsprogramme nach Luxemburg kämen, seien in diesen Zahlen jedoch nicht enthalten.