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War es sexueller Missbrauch?

War es sexueller Missbrauch?
(Isabela Finzi)

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Vor Gericht muss sich seit Montag der 41-jährige aus Nigeria stammende Kingsley O. wegen Nötigung und Vergewaltigung mit erschwerenden Umständen verantworten.

Das Opfer, die Ehefrau des Beschuldigten, ging am ersten Verhandlungstag auf ihre zehnjährige Beziehung ein. Sie hatte Kingsley O., der damals den Flüchtlingsstatus besaß, 2006 kennengelernt. Ein Jahr später heirateten sie und kurz darauf kam ihre gemeinsame Tochter zur Welt.

Die gelernte Psychologin tat alles, um die Beziehung zu retten, doch als sie sich schließlich scheiden lassen wollte, legte sich ihr Mann quer. Nicht weil er seine Familie retten wollte, sondern weil er sie vermutlich für sein Immigrationsverfahren brauchte.

„I will kill you before leaving this house“ war laut Zeugin sein Statement, das einen Prozess einleitete, der zur Katastrophe führte und darin gipfelte, dass er seine Frau derart provozierte, bis sie mehrmals die Polizei einschaltete. Als freischaffender Künstler zog der Beschuldigte in sein Atelier. Damit begann der alltägliche Kampf um die Aufsicht des gemeinsamen Kindes und die Scheidung, in die der Beschuldigte immer noch nicht einwilligen wollte.

Als die Mutter ihrem Mann das Kind nicht mehr übergeben wollte, weil dieser eine eher auf Respekt als auf Liebe aufgebaute und „handfestere“ Erziehung bevorzugte, führte das Paar mehrere Klagen bei der Polizei, die schließlich im gestrigen Prozess gipfelten.

Tochter im Dauerstress

Erschwerend kam hinzu, dass das Kind eines Tages ihrer Mutter gestand: „Er ist mir beim Waschen mit dem Finger in die Scheide gefahren.“ Später hielt das Kind die geschilderte Szene in einer Zeichnung fest, die keinen Zweifel aufkommen ließ.

In einer ersten Phase darauf angesprochen, meinte der Beschuldigte, er müsse dafür sorgen, dass seine Tochter an dieser Stelle keine schlechten Gerüche entwickle. Nach der Zeugenaussage der Mutter legte deren Anwältin Nebenklage ein.

Gegenüber Dr. Gleis, dem psychiatrischen Gutachter, zeigte sich der Beschuldigte empört über die Vorwürfe. Er habe seine Tochter zwar gewaschen, dabei aber nie sexuelle Gelüste befriedigt, weil das mit seiner Religion und seiner Herkunft nicht vereinbar sei.

Alles in allem zeichnete der Gutachter gestern ein positives Bild des Angeklagten. Ein pädopsychiatrischer Experte erwähnte den Umstand, dass die Tochter bei der Befragung ohne den Einfluss der Mutter offener wirkte, was auf die ambivalente Situation des Kindes hinwies.

Das Kind stand durch den anhaltenden Streit seiner Eltern unter kontinuierlichem Stress. Ein solches Tauziehen der Erwachsenen um seine Person wirke sich immer fatal auf einen heranwachsenden Menschen aus, auch wenn die Nebenklägerin dies nicht einsah.

Der dritte Gutachter bestätigte die Glaubwürdigkeit des Kindes und dessen ambivalente Situation, die sich, gepaart mit Trennungsängsten, gegen beide Elternteile auswirkte. Das Kind litt weniger unter dem Bösen als vielmehr unter der Abwesenheit des Guten.

Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.