Wohl nie zuvor wurde ein Wahlergebnis auf der EU-Bühne derart zurechtgebogen wie das holländische: Die Niederländer hätten sich gegen den Rechtspopulismus und für „Europa“ entschieden!
Tatsache ist, dass die zwei Regierungsparteien (seit Oktober 2012 am Ruder) eine zerschmetternde Niederlage erlitten. Rutte, der angebliche Held, verlor mit seinen Rechtsliberalen 8 von 41 Sitzen, und Asscher, der Sozialdemokrat, 29 (!) von 38. Die Koalition kam demnach nur noch auf 33 + 9 = 42 Mandate, gegenüber 79 zuvor (in einem Parlament von 150).
Noch schlimmer: Es war Wilders, der Schreckliche, der im Wahlkampf die Themen vorgab. Die Krisen-EU, Erdogan und die Türkei, die Immigration, der Abbau des Sozialstaates. Rutte schwenkte weit nach rechts, fast überholte er Wilders. So ging er nicht k.o. wie sein Partner. – Übrigens: Dessen Dijsselbloem ist der gestrenge Euro-Gruppenchef, der so brutal mit den Griechen umging. Welche Legitimität hat er noch in diesem Amt?
Von Wilders zu Trump
Dass Wilders „nur“ die Nummer zwei würde, stand seit Wochen fest. Über was freuen sie sich denn, die Juncker, Merkel, Hollande und wie sie alle heißen? Glauben sie, jetzt hätten sie freie Bahn für die Fortsetzung ihrer Europa-Politik mit den Schwerpunkten Austerität, Rüstung, Boykotts, Beteiligung an Kriegen, die nie hätten sein dürfen?
Das Tempo der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Veränderungen ist derart, dass immer mehr Menschen am Rande der Rennstrecke zurückgelassen werden. Ihr Alltagsleben wird komplizierter, schwieriger, schlechter. Sie werden empfänglich für die kleinen und großen Wildersse mit den radikalen Sprüchen, die es mitunter überall gibt, auch in Luxemburg; und da in der Demokratie alle Wählerstimmen zählen, kann es in Europa kommen wie in den USA. Plötzlich hat man seinen Trump.
In Luxemburg sind wir vielleicht näher an der politischen Überforderung dran als gedacht. Hier ist die Beschleunigung in Richtung neu und anders noch rasanter. Luxemburg, das Land, ist in einer Phase der Metropolisierung, die ihren sichtbarsten Ausdruck im sprunghaften Anstieg der Bevölkerung durch Zuwanderung findet.
Diese Zeitung verdeutlichte gestern das Thema anhand der Kernzahlen zur Südregion, welche 11 eng miteinander verbundene Gemeinden im Syndikat Pro-Sud umfasst: Esch, Schifflingen, Monnerich, Kayl, Rümelingen, Bettemburg, Düdelingen, Sanem, Differdingen, Petingen, Käerjeng. Dort lebten vor 15 Jahren 130.000 Menschen, heute sind es 167.000, ein Zuwachs von 28,4%.
Entwicklung in Luxemburg
Die 37.000 zusätzlichen „Sudisten“ entsprechen etwa der gegenwärtigen Bevölkerung von Esch. Bildlich ausgedrückt, musste (allein im Süden) ein ganzes Esch in nur 15 Jahren gebaut werden, mit all seinen Straßen, Anbindungen, Plätzen, Wohnungen, Geschäften, Schulen, Kliniken, Betrieben, Institutionen, Sport-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen sowie der Infrastruktur im Boden. Dabei ist bekannt, dass von der Planung bis zur Eröffnung eines einzigen Lyzeums acht Jahre gebraucht werden …
Dass der regionale Durchschnitt der Nicht-Luxemburger in den genannten 15 Jahren von 35 auf 45% anstieg, macht die vielfältigen Probleme im Süden noch komplizierter. Welch fantastische Spielwiese für Populisten, wenn etablierte Politiker versagen …
Sowieso: Wir alle sollten uns den Herausforderungen mutiger und kreativer stellen. Noch sind die Zustände und die Chancen in Luxemburg ja weit besser als fast überall.
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