Die Zahl der bei den Protesten in Venezuela getöteten Menschen ist auf 21 gestiegen. Das Innenministerium in Caracas teilte mit, dass eine 47-jährige Anhängerin von Präsident Nicolás Maduro am Sonntag den Verletzungen erlag, die sie durch einen Flaschenwurf bei einer Demonstration am 19. April erlitten hatte.
Superlative der besonderen Art
Venezuela ist derzeit eines der bizarrsten Länder der Welt – und vereint Superlative im Guten wie im Schlechten auf sich:– Höchste Erdölvorkommen der Welt: 300,8 Milliarden Barrel
– Höchste Inflation: Geschätzte 720 Prozent im laufenden Jahr.
– Größter Goldverkäufer: Die Reserven fielen von 249 auf 170 Tonnen
– Gefährlichste Stadt (außerhalb von Kriegsgebieten): Caracas
– Billigstes Benzin: Pro Euro (Schwarzmarktkurs) gibt es 800 Liter
Die Angaben zu Caracas beruhen auf Angaben einer mexikanischen NGO, wonach in Caracas auf 100.000 Einwohner 120 Morde kommen. Die Angaben zur Inflation basieren auf IWF-Schätzungen, die zu den Goldreserven auf Angaben der Zentralbank. Ein Liter Benzin kostet sechs Bolívares, auf dem Schwarzmarkt gibt es für einen Euro über 4800 Bolívares.
Seit Anfang April gibt es nahezu tägliche Kundgebungen mit dem Ziel, Maduro zu stürzen. Für Montag rief die Opposition zu einer «nationalen Blockade» von Straßen auf. Die Demonstrationen finden in einer äußert angespannten Lage statt. In der Nacht zum Freitag wurden in Caracas zwölf Menschen getötet.
Maduro bleibt hart
Konservative und rechtsgerichtete Regierungsgegner machen Maduro für die schwere Wirtschaftskrise in dem ölreichen Land verantwortlich. Sie kämpfen für eine Volksabstimmung über seine Amtsenthebung.
Venezuelas Präsident Nicolás Maduro will trotz Massenprotesten die sozialistische Revolution um jeden Preis verteidigen. «Sie wissen nicht, was wir in der Lage sind zu tun», betonte der 54-Jährige in seinem TV- und Radioprogramm «Domingos con Maduro». «Nach fast 20 Jahren der Revolution bin ich bereit, einen neuen historischen Schritt zu unternehmen.» Angesichts der zunehmend blutigen Proteste und Unruhen mit bereits 21 Toten versicherte er: «Wir werden nicht in einen Bürgerkrieg geraten.»
#AHORA 07:40am ATAQUE DE GNB MERCENARIOS DE MADURO A CIUDADANOS en Autopista del EstE Tazajal #Naguanagua pic.twitter.com/5xvPWcjwns
— EnkiVzla Disip IELMT (@EnkiVzla) 24. April 2017
1300 Festnahmen
Maduro wurde scharf kritisiert dafür, dass 500.000 Milizen mit Gewehren ausgerüstet werden sollen. Die politischen Gegner riefen das Militär zum Bruch auf. Mit erneut Hunderttausenden Demonstranten will die Opposition am Montag für ein Ende der Präsidentschaft des Sozialisten auf die Straße gehen. Der Vizepräsident des Parlaments, Freddy Guevara, kündigte Proteste in allen 24 Bundesstaaten des Landes mit den größten Ölreserven der Welt an.
Laut Angaben von Anwälten gab es seit Ausbruch der Proteste am 4. April rund 1300 Festnahmen. Auslöser waren die zeitweise vollständige Entmachtung des von der Opposition dominierten Parlaments und Sorgen vor dem Abdriften in eine Diktatur.
Death toll soars to 20, stores ransacked for food in deadly night of anti-government protests in Caracas #Venezuela pic.twitter.com/mfEvOV2fFH
— Randa HABIB (@RandaHabib) 22. April 2017
In der Vergangenheit gab es mehrere – vom Vatikan unterstützte – Dialogversuche zwischen Sozialisten und Opposition, die aber im Sande verliefen. Maduro warf der Opposition, die die Parlamentswahl 2015 klar gewonnen hatte, vor, einen Putsch zu wollen.
Leere Geschäfte
Das aus mehreren Parteien bestehende Bündnis «demokratische Einheit», fordert freie Wahlen und warnt vor der Errichtung einer Diktatur. Das Parlament ist seit Monaten de facto machtlos, da Maduro mit Hilfe der Justiz und Notstandsdekreten an der Legislative vorbeiregiert.
Das Land ist trotz der Ölreserven in die schlimmste Versorgungskrise seiner Geschichte gerutscht, die Regierung führt das auf den zeitweise stark gefallenen Ölpreis zurück. Schlangen vor oft leeren Supermärkten und Menschen, die im Müll nach Essbaren suchen, sind Alltag. Zudem hat die Gewalt zugenommen: 2016 wurden fast 28 500 Menschen ermordet.
Da Devisen für den Import von Lebensmitteln und Medikamenten fehlen, wird auch versucht, Goldvorräte zu Geld zu machen. Es gab schon 2016 sogenannte Swap-Geschäfte, bei denen die Zentralbank einer anderen Bank Goldreserven für eine bestimmte Zeit leiht und dafür Devisen erhält.
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