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Erst die halbe Miete

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Emmanuel Macron und Frankreich haben noch viel vor sich

Die Freude insbesondere bei den EU-Politikern und -Befürwortern ist groß nach der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen. Nicht die Möchtegern-Totengräberin der EU, Marine Le Pen, sondern ihr – auch in dieser Hinsicht – Gegenpart, der sozialliberale Emmanuel Macron, hatte am Ende die Nase vorn. Demnach steht jetzt bereits für viele der Ausgang der Stichwahl fest, was allerdings fatale Konsequenzen haben könnte, wenn nicht die Lehren aus einer anderen Wahl gezogen werden. Bei den Präsidentschaftswahlen am 21. April 2002 glaubten viele Unterstützer den sozialistischen Kandidaten Lionel Jospin aufgrund der Umfragen bereits in der Stichwahl. Und meinten, sie bräuchten erst in dieser entscheidenden Runde zu wählen. Was dem noch ungustiöseren – im Vergleich zu seiner Tochter – Jean-Marie Le Pen den Weg in den zweiten Wahlgang freimachte. „It ain’t over till it’s over“, singt Lenny Kravitz, und das sollten auch jene beherzigen, die den Elysée-Palast bereits jetzt in sicherer Hand wähnen.

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gkemp@tageblatt.lu

Neben der daher gebotenen Vorsicht dürfte jedoch ebenso rasch wieder Ernüchterung über die politische Lage in Frankreich einkehren. Denn außer der Tatsache, dass Emmanuel Macron der chancenreichste Kandidat ist, um eine Präsidentin Marine Le Pen zu verhindern, und dem Enthusiasmus sowie der ermutigend frischen Haltung, die dieser versprüht, gibt es weiter nichts, was zu einer Verbesserung der Aussichten des Landes beiträgt. Denn: Nach der Wahl ist vor der Wahl, nämlich vor den Wahlen zur „Assemblée nationale“, die mindestens ebenso entscheidend für die – politische – Zukunft Frankreichs sind. Dabei ist davon auszugehen, dass auch dem Polit-Jungstar so viel Anfängerglück verwehrt bleiben dürfte, als dass seine Bewegung „En marche“ gleich auf Anhieb in die Position gerät, allein die Regierung zu stellen. Macron wird sich daher entscheiden müssen, auf welcher Seite er sich nach Verbündeten umsieht, auch wenn er derzeit sowohl von rechts als auch von links Unterstützung erhält. Zwar wurden die beiden großen Parteien, der PS und die Konservativen, am Sonntag in während der fünften Republik nie da gewesenem Maße abgestraft. Die beiden Lager haben sich jedoch noch nicht aufgelöst, auch wenn das Land am Wochenende den vorläufigen Höhepunkt eines politischen Umbruchs erlebt hat, der sich weiter hinziehen wird. Emmanuel Macron hat daher erst die halbe Miete für den Elysée-Palast zusammen, wenn er in rund zwei Wochen gewinnen sollte.

Doch auch die bisherige politische Kaste wird sich entscheiden und zeigen müssen, ob sie wirklich gewillt ist, den weiteren Aufstieg von Marine Le Pen zu stoppen. Erstere hat eine Bringschuld, da sie es versäumt hat, das Land sozial und wirtschaftlich zu erneuern und auch jenen Menschen eine Perspektive zu bieten, die glauben, nur durch Abschottung, so wie es nicht nur die FN-Chefin predigt, wieder eine Chance zu bekommen. Sollte die sich bietende Möglichkeit jetzt nicht genutzt werden, die bisherigen politischen Versäumnisse zu beheben, dürfte es bei den Präsidentschaftswahlen in fünf Jahren umso schwerer sein, Marine Le Pen zu verhindern.