Die Austrittsverhandlungen zwischen der Europäischen Union und der britischen Regierung haben noch nicht begonnen, da gibt es bereits die erste Verstimmung. Grund dafür ist ein Presseartikel über das vertrauliche Treffen samt Abendessen zwischen dem EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker und der britischen Premierministerin Theresa May am vergangenen Mittwoch in London. In dem Zeitungsbericht wird die Hausherrin von 10 Downing Street so dargestellt, als habe sie den Ernst der Lage noch nicht begriffen. Und Juncker wird mit den Worten zitiert, dass er den Sitz der Premierminister „zehnmal skeptischer als zuvor“ verlasse.
Nun kann man darüber streiten, ob Junckers Kabinettschef, der hinter den Enthüllungen stecken soll, wirklich nichts Besseres zu tun hat, als die ohnehin nicht ganz entspannte Atmosphäre in der Causa Brexit zusätzlich anzuheizen. Als Nebeneffekt dürfte es Juncker schwer haben, mit seinem Kabinettschef im Schlepptau künftig vertrauliche Gespräche zu führen. Die nun einmal in die Öffentlichkeit gelangte Episode des Brexit-Dinners zeigt jedoch auch, mit welch offensichtlicher Unbekümmertheit die Briten an die Austrittsgespräche herangehen. Unter anderem wenn der auf britischer Seite mit diesen Gesprächen betraute David Davis meint, dass die EU ihre finanziellen Forderungen an das Vereinigte Königreich nicht werde durchsetzen können und die Premierministerin die Runde auffordert, aus dem Brexit einen Erfolg zu machen.
Diese hinter verschlossenen Türen gemachten Aussagen waren nicht für das Publikum einer Wahlkampfveranstaltung gedacht, vor dem Theresa May aus verständlichen Gründen Zuversicht und Standfestigkeit in Sachen EU-Austritt demonstrieren muss. Der Eindruck bestätigt sich aber, dass sich selbst in den höchsten politischen Sphären in Großbritannien wohl weiterhin die Vorstellung hält, dass sich dennoch alles (was auch immer darunter zu verstehen ist) zum Besseren wenden lässt, wenn das Land einmal die EU verlassen wird. Übrigens ganz so wie in Frankreich Marine Le Pen, die ihren Wählern vorgaukelt, dass, wenn die Grenzen einmal geschlossen, die Zuwanderung stark reduziert und der Franc wieder eingeführt werden, Vollbeschäftigung in einem wirtschaftlich prosperierenden Frankreich herrschen wird und alle glücklich werden. Auch das wird nicht eintreten, da die Dinge nun einmal viel komplizierter sind, als simplistische und populistische Phrasendrescherei es vermuten lassen.
Man kann jetzt bereits darauf wetten, dass es die Schuld Brüssels sein wird, wenn sich nach dem Brexit der National Health Service dennoch nicht verbessert, die britische Wirtschaft und das Pfund schwächeln, die Briten doch nicht zufriedener und das Wetter weiterhin miserabel sein werden. Es wäre dennoch ratsam, das Verhältnis mit den Briten nicht unnötigerweise zu trüben. Es war daher ein guter Griff von Jean-Claude Juncker, den Franzosen Michel Barnier auf EU-Seite mit den Verhandlungen zu betrauen. Er geht das Ganze mit kühlem Kopf und dem gebotenen Pragmatismus an. Das hilft zumindest teilweise gegen schlechte Verlierer.
gkemp@tageblatt.lu
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