Der Ausgang der Abstimmung war bis zuletzt zwischen Konservativen und Labour-Partei eng. Direkt nach der Schließung der mehr als 40 000 Wahllokale in England, Schottland, Wales und Nordirland um 23.00 Uhr MESZ gab es eine erste Prognose. Vor allem in London zeigte die Polizei nach dem Terroranschlag mit mehreren Toten am vorigen Wochenende mehr Präsenz während der Wahl.
Premierministerin Theresa May und ihre Konservativen hatten vor wenigen Monaten in Umfragen noch weit vor der Labour-Partei um Jeremy Corbyn gelegen. Zuletzt hatte sich der Abstand aber stark verringert. Dabei hatte May sich von der Wahl eine deutlichere Mehrheit der Tories und damit einen stärkeren Rückhalt für die Brexit-Verhandlungen in Brüssel erhofft. Sie setzt auf einen harten Ausstieg – also mit möglichst wenig Zugeständnissen an die EU – und hatte in der Vergangenheit mit einem Scheitern der Gespräche gedroht.
Doch im Fokus des Wahlkampfes stand weniger der EU-Austritt als die innere Sicherheit des Landes, nachdem Großbritannien binnen kurzer Zeit drei Mal Schauplatz von Terroranschlägen geworden war. Die Opposition hatte May etwa für ihre Aussage kritisiert, im Kampf gegen den Terror notfalls auch Menschenrechte einzuschränken.
«Jede Stimme zählt»
Zuletzt hatten ihre Konservativen in manchen Befragungen nur noch einen Punkt vor der Labour-Partei gelegen. Nach der jüngsten am Wahltag veröffentlichten Umfrage von Ipsos Mori für die Abendzeitung «Evening Standard» hatte Mays Partei mit 44 Prozent der Stimmen dagegen acht Punkte Vorsprung vor Labour mit 36 Prozent.
«Jede Stimme zählt», twitterte May wenige Stunden vor der Schließung der Wahllokale. «Zusammen können wir den besten Brexit-Deal sichern und ein stärkeres Großbritannien aufbauen.» Zuvor hatte Labour-Chef Jeremy Corbyn geschrieben: «Labour wird ein Großbritannien aufbauen, das #FürDieVielen funktioniert, nicht die wenigen.»
Prominente und Politiker riefen die rund 46,9 Millionen wahlberechtigten Briten am Donnerstag zur Stimmabgabe auf. «Die Wahl heute ist so wichtig. Bitte nehmt euch die Zeit zu wählen», erklärte Londons Bürgermeister Sadiq Khan auf Twitter.
Bei vielerorts regnerischem Wetter konnten die Bürger nicht nur in Schulen, Kirchen und Gemeindehallen ihr Kreuzchen machen, sondern etwa auch in Boxclubs, Wohnwagen auf einem Bauernhof und sogar im Pub. Offizielle Zahlen zur Beteiligung gab es am frühen Abend nicht, 2015 hatte sie am Ende bei gut 66 Prozent gelegen. Die Auszählung der Stimmbezirke dauert die ganze Nacht. Zwar dürfte sich dann schon ein belastbarer Trend abzeichnen, das Endergebnis der Wahl liegt aber voraussichtlich erst am Freitagnachmittag vor.
May hatte ihre Stimme am Donnerstagvormittag in ihrem Wahlkreis in Maidenhead westlich von London abgegeben. Corbyn wählte in seinem Londoner Wahlkreis Islington North. Der Altlinke spricht vor allem junge Menschen an. Er will die Kluft zwischen Arm und Reich verringern, die Bahn verstaatlichen und das Gesundheitssystem auf Vordermann bringen. Corbyn gilt vielen aber auch als führungsschwach.
In den 650 Wahlkreisen gewinnt der jeweils dort an erster Stelle liegende Abgeordnete – die übrigen Stimmen entfallen und werden auch landesweit nicht berücksichtigt. Rechnerisch ergäbe sich bei 650 Abgeordneten im Unterhaus also bei 326 Stimmen eine absolute Mehrheit. Der künftige Premier wird jedoch wohl weniger Stimmen brauchen. Denn aus Protest nehmen die gewählten Vertreter der nordirischen Partei Sinn Fein ihre Sitze in Westminster traditionell nicht ein. Die katholisch-republikanische Partei hat einen festen Wählerstamm, 2015 holte sie vier Mandate.
Die EU-Kommission wollte sich am Donnerstag nicht zu der Wahl äußern. Mit Blick auf die Brexit-Verhandlungen sagte ein Sprecher in Brüssel nur: «Wir sind bereit.» EU-Politiker hatten die Hoffnung geäußert, dass ein eindeutiges Wahlergebnis die bis März 2019 terminierten Verhandlungen über ein Austrittsabkommen vereinfachen könnte. Kommt es zu einem Wahlsieg der Labour-Partei, dürfte sich der für die Woche ab dem 19. Juni anvisierte Beginn der Gespräche verzögern.
Der rechtspopulistischen Partei Ukip droht bei der Wahl eine schwere Schlappe. Im Parlament waren die EU-Gegner zuletzt nicht mehr vertreten, im März war ihr einziger Abgeordneter aus der Partei ausgetreten. «Die Konservativen werden vermutlich viele Ukip-Wähler abziehen», sagte John Curtice von der Uni Strathclyde in Glasgow.
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