Auf den Bildschirmen im Inneren des Wagens zieht die Landschaft draußen vorbei: verbrannte Palmen, verbeulte Straßenschilder und umgeknickte Laternenmasten säumen die kaputte Straße – bis vor kurzem noch eine Hauptverkehrsader im Norden des Gazastreifens. Über den Gebäuden von Küstenorten im Norden des Gazastreifens wehen jetzt israelische Flaggen. Außer Soldaten sind keine Menschen zu sehen. Für die mehrstündige Tour in den Gazastreifen für ausländische Medienvertreter gelten strenge Sicherheitsvorkehrungen. Das Militär zensiert zudem alle Fotos und Videos.
Unmittelbar nach dem Angriff der radikalislamischen Hamas am 7. Oktober hatte die israelische Armee begonnen, Ziele im Gazastreifen zu bombardieren, 20 Tage später rückte sie mit Bodentruppen ein.
Ben ist einer der Soldaten der Bodenoffensive. „Man hat das Gefühl, dass ganz Israel hinter einem steht. Es ist ein unglaubliches Gefühl, dass man derjenige ist, der sich um das kümmert, was am 7. Oktober passiert ist“, sagt er. „Man rächt sich sozusagen für das, was sie getan haben“, fügt der 24-Jährige mit Blick auf den mit vielen Gräueltaten verbundenen Großangriff der Hamas hinzu.
Es fühle sich „seltsam“ an, in den bisher von der Hamas kontrollierten Gazastreifen einzurücken, sagt Ben weiter. „Wir haben alle Angst, aber wir rücken trotzdem weiter vor. Mit jedem Haus, in das wir eindringen, lernen wir den Feind besser kennen.“
Erklärtes Ziel der israelischen Regierung ist es, mit dem Militäreinsatz die Hamas zu „vernichten“, nachdem deren Kämpfer am 7. Oktober 1.400 Menschen in Israel getötet und mehr als 240 entführt hatten. Die Angriffe richten sich laut Armee gegen die Infrastruktur der radikalislamischen Palästinenserorganisation, die von den USA und der EU als terroristisch eingestuft wird. Nach von unabhängiger Seite nicht überprüfbaren Angaben des Gesundheitsministeriums der Hamas töteten die israelischen Bombenangriffe im Gazastreifen mehr als 10.500 Menschen.
Der gepanzerte Armeewagen mit den Reportern hält vor einem zerstörten mehrstöckigen Haus, Fenster und Türen stehen offen. Eine Gruppe israelischer Soldaten hält davor Wache. Bei dem Gebäude handele es sich um „eine Waffenfabrik der Hamas“, erklärt ein Offizier. Neben Material zur Herstellung von Drohnen und Bomben hätten Soldaten hier auch Tauchausrüstung gefunden. Zwischen den Betontrümmern sind Drohnenflügel und Werkzeuge verstreut.
Massive Zerstörungen
Die militärischen Begleiter führen die Journalisten in ein rosa angemaltes Zimmer im obersten Stockwerk. Es gibt Bücher, Puppen und einen zerbrochenen Spiegel. Durch das Fenster ist das Meer zu sehen, dann verdeckt die Staubwolke eines vorbeifahrenden Panzers die Sicht. Hier, direkt über der Waffenfabrik, hätten Kinder gewohnt, sagen die Armeevertreter. Israel beschuldigt die Hamas immer wieder, zivile Einrichtungen, insbesondere Krankenhäuser, und auch die Bevölkerung des Gazastreifens selbst als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen.
Seine Truppen würden weiterkämpfen, „bis es vorbei ist“, sagt Kommandeur Ido, der die Pressetour leitet. „Sie wollten uns alle töten. Sie kamen von hier, aus diesen Häusern, aus dem Untergrund, aus dem Boden. So sieht die Hamas aus.“
Nach einem Monat hat der Krieg massive Zerstörungen im dicht besiedelten Gazastreifen angerichtet, in dem 2,4 Millionen Menschen leben. Rund 1,5 Millionen von ihnen sind nach Angaben der UNO auf der Flucht, die meisten stammen aus dem Norden des Gazastreifens und suchen im Süden des Palästinensergebietes Zuflucht. Nur wenig erinnert im Gazastreifen noch an das Leben vor dem 7. Oktober. Ein Huhn pickt im Sand neben den Militärfahrzeugen, an einer Wand hängt noch immer eine Leine voller bunter Wäsche.
Plötzlich ertönt Gewehrfeuer, es klingt nah. Die israelischen Soldaten machen sich auf einen Angriff gefasst. Später, auf dem Weg zurück nach Israel, muss der Konvoi anhalten, ein Sprengsatz muss entschärft werden. Rauch steigt in die Luft. „Wir haben einige Soldaten verloren, aber wir machen weiter“, sagt Kommandeur Ido. „Wir bleiben bis zum Ende hier.“ (AFP)
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