Nachdem die Generalstaatsanwaltschaft wenige Stunden später mitteilte, dass gegen Regierungsmitglieder wegen Korruption, Vorteilsnahme und Rechtsbeugung ermittelt werde, trat Premier Costa zurück. Der Sozialdemokrat war seit acht Jahren im Amt.
Obwohl Generalstaatsanwältin Lucília Gago zunächst keine Einzelheiten mitteilte, wurde doch bekannt, dass es um den Verdacht von Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Projekten gehen soll. Etwa für die Produktion von grünem Wasserstoff oder auch für den Abbau von Lithium, ein wertvoller Rohstoff, der für die Produktion von Elektroautos benötigt wird. Diese Projekte sind wichtige Bausteine für Portugals Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe. Auch bei der Vergabe eines staatlichen Datenzentrums soll gemauschelt worden sein.
Insgesamt ließ die federführende Staatsanwaltschaft 42 Büros und Wohnungen durchsuchen und transportierte kistenweise Material ab. Noch am Morgen wurde Costas Kabinettschef Vítor Escaría festgenommen. Auch der Bürgermeister der Kleinstadt Sines, in deren Nähe eine Wasserstoffanlage geplant war, wurde abgeführt. Genauso wie zwei Manager einer öffentlichen Investitionsgesellschaft und ein Anwalt. Zugleich wurden Infrastrukturminister João Galamba und ein Direktor der portugiesischen Umweltbehörde zu Verdächtigen erklärt.
Wie die Generalstaatsanwaltschaft später mitteilte, wurde Portugals Premier von mehreren in den Korruptionsfall verwickelten Personen belastet. „Während der Ermittlungen erhielten wir Kenntnis davon, dass sich die Verdächtigen auf den Ministerpräsidenten beriefen.“ Dieser habe den Aussagen zufolge in die Vergabeverfahren persönlich eingegriffen. Dem Verdacht gegen Costa werde nun in einem separaten Ermittlungsverfahren an Portugals Oberstem Gerichtshof nachgegangen.
„Diese Etappe ist beendet“
Costa selbst wies in einer Fernsehansprache am Dienstagmittag den gegen bestehenden Verdacht zurück, an illegalen Handlungen beteiligt gewesen zu sein. „Ich wurde heute davon überrascht, dass strafrechtliche Ermittlungen gegen mich eingeleitet wurden“, sagte er. Er sei sich keiner Schuld bewusst. „Aber das Amt des Ministerpräsidenten ist nicht vereinbar mit dem Verdacht, eine kriminelle Handlung begangen zu haben.“ Er habe deswegen bei Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa seinen Rücktritt eingereicht.
Costa versprach, mit den Ermittlern zusammenzuarbeiten, „um die Wahrheit ans Licht zu bringen“. Der 62-Jährige kündigte zudem an, dass er auch im Falle einer Entlastung nicht wieder für das Amt des Premiers kandidieren werde. „Diese Etappe ist beendet“, sagte er. Er werde aber solange geschäftsführend im Amt bleiben, bis ein neuer Regierungschef vereidigt worden sei.
Nun muss Staatschef Rebelo de Sousa entscheiden, ob er in Portugal Neuwahl ansetzt, wie es die konservative Opposition fordert. Oder ob er die sozialdemokratisch orientierte Sozialistische Partei Costas auffordert, einen neuen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs zu benennen.
Costa hatte in der vergangenen Parlamentswahl Anfang 2022 eine absolute Mehrheit errungen. Seine Amtszeit wäre regulär erst 2026 abgelaufen. Costa war seit 2015 an der Regierung und hatte sich durch seine Reformen und seine Haushaltsdisziplin Anerkennung in Europa erworben. Es gelang ihm, Portugal aus der tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise zu steuern, in welcher das Land vor einem Jahrzehnt beinahe untergegangen wäre. Heute erfreut sich der Staat eines überdurchschnittlichen Wachstums, auch bei der Energiewende ist Portugal weiter als die meisten anderen EU-Länder fortgeschritten.
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