In einer Kampfabstimmung beim Parteitag der linksnationalistischen CHP am Sonntag wurde der 74-jährige Kemal Kilicdaroglu durch den politisch vergleichsweise unerfahrenen Apotheker Özgür Özel ersetzt, der aber vom Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu unterstützt wurde. Zum Ärger vieler CHP-Mitglieder und Wähler hatte sich Kilicdaroglu nach seiner Wahlniederlage geweigert, als Parteichef zurückzutreten.
Die CHP ist seit der Wahl intern gespalten und in einer tiefen Krise. Viele Anhänger werfen Kilicdaroglu vor, die seit Jahren beste Chance zur Entmachtung des islamisch-konservativen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bei der Wahl im Mai vergeben zu haben.
Kilicdaroglu war es zwar gelungen, ein Bündnis der Opposition von weit rechts bis hin zu den Kurden zu schmieden. Es war aber wenige Monate vor der Wahl ins Wanken geraten. Trotz der großen Unzufriedenheit in der Bevölkerung auch wegen der hohen Inflation gewann am Ende Erdogan die Stichwahl. Die Enttäuschung bei der Opposition war riesig.
Nun übernimmt der Deutsch sprechende Özgür Özel die CHP-Führung. Der 49-Jährige gewann den letzten Wahlgang am Sonntag in der aufgeheizten Atmosphäre des CHP-Parteitags mit 812 zu 536 Stimmen, nachdem er sich als Kandidat des „Wandels“ präsentiert hatte. Allerdings ging es bei der Abstimmung über den Parteichef weniger um politische Inhalte als vielmehr um die Persönlichkeiten. Kilicdaroglu hatte die Versuche, ihn abzusetzen, als „Dolchstoß in den Rücken“ angeprangert.
Populärer Imamoglu will Bürgermeisteramt halten
Özel hat lange Zeit als Apotheker in der eher liberalen Touristenstadt Izmir im Westen des Landes gearbeitet. Dann wurde er Präsident der Apothekervereinigung des Landes, bevor er 2011 ins Parlament gewählt wurde. In der Türkei finden nächstes Jahr Kommunalwahlen statt. Der Kilicdaroglu-Rivale Imamoglu müsste dabei im März auch um sein Bürgermeisteramt in Istanbul kämpfen.
Ursprünglich hätte Imamoglu bei der Präsidentschaftswahl als Kandidat der CHP gegen Erdogan antreten sollen. Allerdings war der Istanbuler Bürgermeister im vergangenen Dezember wegen Beleidigung eines Amtsträgers zu fast drei Jahren Haft verurteilt worden. Nachdem er Berufung eingelegt hatte, konnte er zwar im Amt bleiben, wurde aber von der Präsidentschaftswahl ausgeschlossen. (AFP)
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