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DänemarkZu geheim, um bestraft zu werden: Verfahren gegen Ex-Minister und -Geheimdienstchef eingestellt

Dänemark / Zu geheim, um bestraft zu werden: Verfahren gegen Ex-Minister und -Geheimdienstchef eingestellt
Die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen könnte die Einstellung des Verfahrens arrangieren Foto: AFP/NTB/Ole Berg-Rusten

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Dänemark hat einen Geheimdienst-Skandal von seltsamen Ausmaßen: Ein ehemaliger Geheimdienstchef und ein ehemaliger Verteidigungsminister können nicht verurteilt werden, da die Angelegenheit nach Einschätzung des dänischen Militärgeheimdienstes FE zu geheim für eine Verhandlung ist. Die Opposition verlangt jedoch mehr Aufklärung.

Claus Hjort Frederiksen, der als Mitglied der bürgerlichen Partei „Venstre“ mehrere Ministerämter bekleidete,  und Lars Findsen, der von 2015 bis 2021als Chef des FE wirkte, sollen geheime Informationen weitergereicht haben, unter anderem an Journalisten. Nach Angaben des Obersten Gerichts drehte es sich bei den Dokumenten um die sogenannte NSA-Affäre: Zwischen 2012 und 2014 half der FE dem US-Auslandsgeheimdienst NSA, die Gespräche von Politikern aus Deutschland, Frankreich, Norwegen und Schweden anzuzapfen.

Das seit Mai 2021 bekannte Vergehen, dem journalistische Recherchen vorausgegangen waren, ist somit von großem Interesse. Das Oberste Gericht in Kopenhagen beschloss daher eine teilweise öffentliche Verhandlung. Daraufhin intervenierte der Geheimdienst FE bei der Staatsanwaltschaft – die Dokumente zur Beweislast seien zu geheim, um genutzt zu werden.

Die Staatsanwaltschaft gab diese Woche nach einer Absprache mit dem Justizminister Peter Hummelgaard dem Druck schließlich nach und stellte das Verfahren ein. Dänemark fehle der „strafrechtliche Schutz“ bei Geheimnisverrat, bemängelte Generalstaatsanwalt Jan Reckendorff, der Gesetzesänderungen verlangte. Kriminelle können nicht mehr verfolgt werden, wenn es um Staatsgeheimnisse geht, so der Schluss dänischer Medien. Der Verteidigungsminister kündigte nun am Donnerstag eine Untersuchungskommission zu dem Fall an.

Die Regierungskoalition unter der Sozialdemokratin Mette Frederiksen hat zwar den Prozess in die Wege geleitet und gilt somit durch den Abbruch des Verfahrens als düpiert. Beobachter glauben jedoch, dass ihr an Aufklärung nicht viel gelegen ist. Denn auch während der Kooperation zwischen dänischen und amerikanischen Diensten 2012 bis 2014 regierten die Sozialdemokraten das skandinavische Land. In dem NATO-Mitgliedstaat agiert die dänische Traditionspartei seit den 80er-Jahren als sehr proamerikanisch.

Verlässlicher Partner

Auf der anderen Seite wird Dänemark von den jeweiligen Regierungen in Washington als verlässlicher Partner gelobt. Das Land ist von strategischer Bedeutung, da dort der Zugang zur Ostsee kontrolliert werden kann. Zudem hat Kopenhagen bei der Außen- und Sicherheitspolitik Grönlands und den Färöern mitzureden, die innerhalb von NATO-Planspielen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.

Rechte wie linke Oppositionsparteien verlangen nun eine transparent geführte Kommission, die Zugang zu Geheimdienstdokumenten und zu Vorgängen im Büro der Regierungschefin Mette Frederiksen haben soll. Die Regierungschefin gilt als energische Macherin, die bei Fehlentscheidungen bislang nicht belangt werden konnte. So etwa bei dem Skandal um das unrechtmäßige Töten der gesamten Nerze des Landes im Jahr 2020. Auch hier wurde eine Untersuchungskommission eingesetzt.

Claus Hjort Frederiksen begrüßt eine Untersuchung seines Falls. Der ehemalige Minister und der ehemalige Geheimdienstchef behaupten, nicht schuldig zu sein. Die Geheimdienste – auch der Inlandsgeheimdienst PET war durch einen angeblichen Verrat betroffen – bedrängen auf der anderen Seite die Regierung, die Gesetze zu ihren Gunsten zu ändern, sodass sie über die notwendigen „Werkzeuge“ verfügen, um „Leaks“ und Spionage „intern“ zu ahnden.