Mit der Verpflichtung von Benjamin Bernheim war den Solistes européens Luxembourg am vergangenen Mittwoch ein großer Coup gelungen. Der französische Tenor ist auf dem besten Weg, ein Weltstar von der Klasse eines Alfredo Kraus, Carlo Bergonzi, Neil Shicoff oder Plácido Domingo zu werden, also von Tenören, die insbesondere durch ihre Stilsicherheit und ihre Noblesse Interpretationsgeschichte geschrieben haben.
Der sympathische Tenor und die kleine Diva
Bernheim hatte dann auch ein Programm zusammengestellt, das stilvolle Phrasierung, tief empfundenen Ausdruck und seine phänomenale Technik in den Mittelpunkt stellte. Mit „Kuda kuda“ aus „Eugen Onegin“, „Una furtiva lagrima“ aus „L’elisir d’amore“, „O figli … Ah la paterna mano“ aus „Macbeth“, die wunderbare Arien „Ah, lève-toi soleil!“ aus „Romeo et Juliette“ von Gounod und „Pourquoi me réveiller?“ aus „Werther“ standen hauptsächlich sehr lyrische, melancholische Werke auf dem Programm, die wunderbar zu Bernheims Stimme und seinem ausgefeilten Gesangsstil passten.
Der Tenor begeisterte nicht nur mit einer äußerst intensiven Darbietung und einer enorm präzisen Phrasierung, sondern zudem mit einer natürlichen Atemtechnik und einem sehr guten Kontakt zum Dirigenten und zu den Orchestermusikern. Das war gesangliche Perfektion auf allen Ebenen! Die einzige Bravour-Arie, wenn man sie denn so nennen kann, war „Recondita armonica“ aus „Tosca“, die Bernheim ebenfalls sehr gut in der Stimme lag. Christoph König erwies sich bei diesem Konzert als exzellenter Operndirigent und trug den französischen Edeltenor auf Händen. Auch die SEL überzeugten mit wunderschönem Spiel und tollen Soli. Zwischen den Arien erklangen dann orchestrale Stücke wie Ouvertüre und Polonaise aus „Eugen Onegin“, die Ouvertüren zu „La forza del destino“ und „Don Pasquale“, Intermezzo aus „Cavalleria Rusticana“, „Sicilienne“ aus „Faurés Pelléas et Mélisande“, „Ballo III“ aus „Macbeth“ und die „Méditation“ aus „Thais“, diese mit einem überragenden Violinsolo von Konzertmeister Klaidi Sahatci.
Das Konzert klang dann mit dem Duett „Ah! Fuyez douce image“ aus „Manon“, bei dem sich die junge Sopranistin Sandra Hamaoui zu Benjamin Bernheim gesellte, aus. Im Gegensatz zu dem sympathischen und kontaktfreudigen französischen Tenor wirkte die Sopranistin dann eher distanziert und sogar unsympathisch divenhaft. Gesanglich passte ihre schöne, flexible und leicht ansprechende Stimme sehr gut zu der Figur der Manon und auch an ihrer Interpretation war nichts zu bemängeln. Als Zugabe gab es dann noch ein Duett aus „Rigoletto“, bei dem sich sowohl Bernheim als stilvoller Duce und Sandra Hamaoui als wunderbar jugendliche Gilda behaupteten.
Best of Rachmaninov
Als der Komponist und Pianist Sergej Rachmaninow sich entschloss, seine Klavierkonzerte und seine Paganini-Rhapsodie einzuspielen, wählte er jedes Mal das Philadelphia Orchestra. Diese legendären Aufnahmen unter Eugene Ormandy und Leopold Stokowski entstanden 1919, 1934, 1939 und 1941; seither gilt das amerikanische Orchester als Rachmaninow-Spezialist mit einer langen Tradition. Heute steht Yannick Nézet-Séguin am Pult dieses Orchesters und dirigiert auf der Europa-Tournee unter dem Titel „Best of Rachmaninov“ gleich fünf Rachmaninow-Werke.
Für diese Tournee, die am vergangenen Freitag in der Philharmonie Luxemburg begann, hatte man den Pianisten Daniil Trifonov gewonnen, der sowohl die Paganini-Rhapsodie als auch das 4. Klavierkonzert spielte. Seine Interpretationen wurden dann auch zu einem außergewöhnlichen Hörerlebnis. Mit rasanten Tempi und einer phänomenalen Virtuosität gestaltete er die Variationen der Rhapsodie und kam dabei interpretatorisch sehr nahe an Rachmaninows eigene Aufnahme heran. Ohne einen Anflug von vernehmbarer Anstrengung spielte Trifonov und seine Virtuosität schien plötzlich Flügel zu bekommen und sich zu verselbstständigen. Das war ganz große Klavierkunst.
Dass Danill Trifonov ein Pianist ist, den man in keine Schublade stecken kann, bewies er auch mit seiner Interpretation des 4. Klavierkonzerts, die zeigte, dass man als Interpret auch ein schwächeres Werk durchaus aufwerten kann. Seine Interpretation nahm das Konzert sehr ernst, behandelte die Noten mit Respekt und bewies, dass dieses 4. Konzert durchaus seinen Reiz hat. Natürlich half Trifonovs ganz besondere virtuose Dynamik mit, die Musik maximal aufzuwerten.
Yannick Nézet-Séguin genoss es förmlich, aus dem Vollen zu schöpfen. Kein Wunder, mit dem Philadelphia Orchestra stand ihm einer der weltbesten Klangkörper zur Verfügung, dessen Klangpotenzial und dessen Spielkultur einfach fantastisch sind. Und dieser „amerikanische“ Klang passt einfach hervorragend zu Rachmaninows Musik. So wurde auch die 1. Symphonie, ein virtuos inszeniertes und rhythmisch prägnantes Jugendwerk, zu einem Hörerlebnis – gerade weil sich der Dirigent nicht auf eine intellektuelle Ebene stellte, sondern weil er die Musik aus dem Bauch heraus dirigierte und sie somit für das Publikum problemlos erlebbar machte. Auch die gefährlich pathetische und in meinen Augen zu lange 2. Symphonie wusste Nézet-Séguin mit einem ausgewogenen Gefühl von Lyrismus, Klang-Opulenz und markant-explosivem Musizieren nicht nur erträglich zu machen, sondern das Publikum von seinen Stärken und seiner expressiven Intensität zu überzeugen, ohne jemals ins Süßliche abzurutschen. Die Standing Ovations waren an beiden Abenden mehr als gerechtfertigt, denn ein derart perfektes, klanggewaltiges und lebendiges Orchesterspiel hört man selten.
Als Zugabe gab es dann noch eine meisterlich gespielte und üppig orchestrierte Stokowski-Adaptation von Rachmaninows Prélude in cis-Moll.
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