Henri Feiner, der Familienvater, geboren am 8. März 1878 in Luxemburg, heiratete die am 19. September 1877 in Forbach (Frankreich) geborene Sophie Simon. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor: Rosa (geboren am 19. August 1913) und Albert (geboren am 24. Februar 1915).
Henri arbeitete im Escher Stahlwerk „Terres Rouges“. Sein Sohn Albert versuchte vergeblich, sich selbstständig zu machen und arbeitete zeitweilig im Frisiersalon seiner Schwester Rosa. Letztere heiratete 1938 den deutschstämmigen jüdischen Musiker Arno Bobrowsky, geboren am 15. Februar 1905. Das Ehepaar hatte eine Tochter, Ruth, geboren am 10. Februar 1939 in Esch. Aus finanziellen Gründen musste die junge Familie sowie Arnos Mutter Flora, geboren 1883, zu Rosas Eltern in die rue Léon Weirich ziehen. Durch die im NS-Deutschland erlassenen und nach der Besetzung bzw. Annektierung Luxemburgs auch hier gültigen Rassengesetze konnten jüdische Eigentümer enteignet und ihre Geschäfte unter kommissarische Verwaltung gestellt werden. Dementsprechend wurde 1940 Rosas Frisiersalon beschlagnahmt. Ihr Vater Henri musste 1941 Zwangsarbeit im Steinbruch bei Nennig (Deutschland) bzw. bei Paul Wurth leisten.
Die gesamte Familie Bobrowsky, d.h. Arno, Rosa und deren kleine Tochter Ruth sowie Arnos Mutter Flora, wurde gleich zu Beginn der Deportationen mit dem ersten Zug, der vom 16. auf den 17. Oktober 1941 den Hauptbahnhof zum Ghetto Litzmannstadt verließ, abtransportiert. Die 1939 geborene Ruth war die jüngste Escher Deportierte. Mit demselben Zug wurde auch Rosas Bruder Albert deportiert, ebenso nach Litzmannstadt.
Im Mai 1942 wurden alle fünf Familienmitglieder gemeinsam mit weiteren Deportierten in das 70 km von Litzmannstadt entfernte Vernichtungslager Chelmno (Kulmhof, Polen) transportiert. Dieses Lager bestand aus einem Schloss, das als Unterkunft für das Lagerpersonal diente, sowie einem Sammelplatz für die zu ermordenden Deportierten. Zum Lagerkomplex gehörte ferner ein fünf Kilometer entferntes „Waldlager“. Der Ablauf war folgender: den Ankommenden wurde von SS-Männern mitgeteilt, dass sie in ein Arbeitslager umgesiedelt werden würden, davor aber müssten sie entlaust und gebadet werden. Anschließend wurden die Menschen über eine mit Brettern umschlossene Rampe in einen zur mobilen Gaskammer umfunktionierten Lkw getrieben. Die Türen wurden verriegelt und eine spezielle Vorrichtung leitete die Lkw-Motorabgase in den Kastenaufbau des Wagens. Der Tod erfolgte langsam und qualvoll. Anschließend wurden die Leichen der Ermordeten ins o.g. „Waldlager“ transportiert und dort vergraben. Insgesamt wurden mindestens 152.000 Menschen, meist Juden, auf diese Weise ermordet. Unter ihnen die fünf Mitglieder der Familie Feiner-Bobrowsky.
Die beiden 64-jährigen Eltern von Albert und Rosa wurden zunächst im sogenannten „jüdischen Altenheim“ in Fünfbrunnen (Luxemburg) interniert. Am 28. Juli 1942 wurden sie mit einem Transport nach Theresienstadt und von dort aus nach Auschwitz deportiert, wo sie am 6. September 1943 ermordet wurden.
Die Stolperstein-Serie
Stolpersteine sind kleine Gedenksteine, die im Straßenpflaster eingelassen sind und an die Opfer des Holocaust erinnern. Die Idee stammt von dem deutschen Künstler Gunter Demnig, der 1992 die ersten Steine in Köln verlegte. Seitdem hat sich das Projekt stetig weiterentwickelt und verbreitet. Bis heute wurden in 31 Ländern Europas 100.000 Steine (Stand 26.5.2023) verlegt, hiervon 30 Steine in Esch/Alzette. Die bewusste Platzierung im Alltagsleben erzeugt eine symbolische „Stolperfalle“, die die Passanten zum Innehalten und Nachdenken über das Schicksal dieser Opfer anregt. Das Tageblatt beleuchtet in seiner Sommerserie das Schicksal der Opfer-Familien.
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