Tobias Schlang, der Familienvater, kam am 25. Mai 1902 in Polen zur Welt. Er heiratete die 1895 ebenfalls in Polen geborene Anna Glaser. 1922 ließ sich das Ehepaar in Luxemburg nieder. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor: Sophie, geboren am 25. Dezember 1922, und Joseph, geboren am 5. Juni 1924. Tobias Schlang arbeitete im Stahlwerk „Terre Rouge“, während die Mutter Hausfrau war. Ihre Tochter Sophie war als Hutmacherin bei Ida Herz, einem bekannten Laden in der Escher rue de l’Alzette, angestellt. Josy hingegen erlernte den Friseurberuf bei Nic. Goetten in der Escher rue des Charbons.
Nach der deutschen Invasion im Mai 1940 und der Evakuierung der Escher Bevölkerung ließ sich die Familie kurzzeitig in Saône-et-Loire in Frankreich nieder. Trotz der Warnungen mehrerer Freunde kehrten sie so bald wie möglich nach Luxemburg zurück. So verloren die drei Familienmitglieder aufgrund der NS-Rassengesetze bereits Ende 1940 ihre Arbeit und konnten auch keine neue Beschäftigung in Esch finden. 1941 zogen sie in die Stadt Luxemburg. Vater Tobias und Sohn Joseph mussten ab dann Zwangsarbeit in einem in Nennig (Deutschland) gelegenen Steinbruch leisten. Dabei mussten sie jeden Tag im Morgengrauen mit dem „Jangly“-Zug nach Remich fahren, um von dort aus zu Fuß weiter nach Nennig zu gelangen, wo sie am frühen Morgen zu erscheinen hatten. Bei Schichtende um 18 Uhr erwartete sie dann derselbe mühsame Rückweg. Zusätzlich musste sich Josy, der Sohn, noch jeden Abend zu Verhören bei der Gestapo in der Villa Pauly einfinden. Im Sommer 1941 wurden die Eltern während 14 Tagen ins Grund-Gefängnis interniert und schwer misshandelt.
Gleich zu Beginn der Deportationen wurde Familie Schlang mit dem ersten Zug, der vom 16. auf den 17. Oktober 1941 den Hauptbahnhof zum Ghetto Litzmannstadt verließ, abtransportiert. Nach eineinhalb Tagen Fahrt erreichte der Deportationszug Radegast, den Güterbahnhof in Litzmannstadt (Lodz, Polen). Von dort aus ging es dann mehrere Kilometer zu Fuß weiter unter viel Geschrei und Schlägen der SS und der Wehrmacht ins Ghetto. Das Litzmannstadt-Ghetto war 1939 aufgrund einer starken Präsenz jüdischer Bürger in dieser Stadt zur Umsiedlung aller Juden errichtet worden. Nach der Abriegelung des Ghetto-Areals befanden sich dort 160.000 Menschen. Ab 1941 kamen weitere Internierte aus Deutschland, Österreich und eben Luxemburg hinzu. Zusätzlich wurde die Fläche des Ghettos verkleinert, was zu einer weiteren Verschlimmerung der Lebensbedingungen führte. 30 bis 40 Menschen wurden auf einem Raum zusammengepfercht. Es gab kein fließendes Wasser und die Essrationen waren absolut unzureichend, beispielsweise 750 Gramm Brot am Tag für vier Personen. Des Weiteren gab es keine Kochmöglichkeiten und keine Sanitäranlagen. Entsprechend hoch war die tägliche Todesrate.
Die Familie Schlang wurde sofort nach Ankunft getrennt. Josy Schlang gelangte von einem Konzentrationslager ins andere, darunter Auschwitz. Er leistete Zwangsarbeit in Monowitz und wurde im Januar 1945 auf einen Todesmarsch geschickt. Seine letzte Station vor Kriegsende war Gusen, ein Nebenlager von Mauthausen, in Österreich. Bei seiner Befreiung wog er nur noch 38 Kilogramm.
Seine Eltern und seine Schwester sah er nie wieder, denn sie wurden 1943 im Konzentrations- und Vernichtungslager Lublin-Majdanek (Polen) ermordet.
Die Stolperstein-Serie
Stolpersteine sind kleine Gedenksteine, die im Straßenpflaster eingelassen sind und an die Opfer des Holocaust erinnern. Die Idee stammt von dem deutschen Künstler Gunter Demnig, der 1992 die ersten Steine in Köln verlegte. Seitdem hat sich das Projekt stetig weiterentwickelt und verbreitet. Bis heute wurden in 31 Ländern Europas 100.000 Steine (Stand 26.5.2023) verlegt, hiervon 30 Steine in Esch/Alzette. Die bewusste Platzierung im Alltagsleben erzeugt eine symbolische „Stolperfalle“, die die Passanten zum Innehalten und Nachdenken über das Schicksal dieser Opfer anregt. Das Tageblatt beleuchtet in seiner Sommerserie das Schicksal der Opfer-Familien.
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