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TanzsportWie zwei junge Luxemburger die Breakdance-Szene wiederaufleben lassen wollen

Tanzsport / Wie zwei junge Luxemburger die Breakdance-Szene wiederaufleben lassen wollen
Daryll Chimento (l.) und Brandon Konrad wollen Breakdance in Luxemburg wieder groß aufleben lassen Foto: Editpress/Alain Rischard

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Irgendwo zwischen Hamilius-Nostalgie und Olympia-Zukunftsvisionen – so könnte man die aktuelle Breakdance-Szene in Luxemburg beschreiben. Zwei junge Leute, die der Disziplin einen neuen Aufschwung verleihen wollen, sprudeln vor Unternehmergeist. Wie Brandon Konrad und Daryll Chimento die Sportart neu beleben wollen, erzählten sie dem Tageblatt zwischen den Tanzeinlagen im Kayler Jugendhaus.

Es war die wohl berühmteste Unterführung des Landes. Die Wände waren farbig besprüht und zudem war es für viele Rapper und Breakdancer der beste Treffpunkt schlechthin. Den „Hamilius“ von damals gibt es nicht mehr. Mit ihm verschwand auch ein Teil der amerikanischen Kultur, die sich schon während der ersten Welle in der 80er-Jahren an zentraler Stelle in Luxemburg (unterirdisch) breitgemacht hatte. Weder Daryll Chimento noch Brandon Konrad waren geboren, als sich die ersten „B-Boys“ dort ihre „Battles“ lieferten. Doch die beiden wollen die Szene neu aufleben lassen – in einem etwas bequemeren Umfeld.

Brandon Konrad ist sozusagen Breakdance-Autodidakt
Brandon Konrad ist sozusagen Breakdance-Autodidakt Foto: Editpress/Alain Rischard

„Der Hamilius-Platz war eine zentrale Anlaufstelle. Inzwischen trainieren wir in Tanzsälen und nicht mehr in einer Unterführung“, erklärt Konrad. Vorbei sind die Zeiten von unangenehmen Gerüchen und der Eiseskälte, die besonders an den Wintertagen kaum auszuhalten war. „Diese erste Generation an Breakdancern ist schon ein paar Jahre älter als wir. Einige sind sogar noch als DJs aktiv.“ Doch einen wirklichen Übergang hat es nie gegeben – und die Breakdance-Szene stand bis vor Kurzem eigentlich knapp vor dem Aus, zumindest was die Außendarstellung und den Bekanntheitsgrad anging. „Wirklich ausgestorben ist sie aber nie. Es gab immer Leute von der alten Generation, wie etwa Marc Folschette (Profitänzer), die viel für die Kultur getan haben“, sagt Konrad. Aber eben ohne klare Strukturen. Es waren eher lokale „Services des sports“ oder Jugendhäuser, die hier und da vereinzelte Kurse anboten. Chimento hat in einer Halle nahe dem Bahnhof in Luxemburg-Stadt die ersten „Basics“ erlernt, Konrad brachte sich seine Drehungen und Moves ganz alleine im Kayler Jugendhaus bei: „Ich habe vorher Fußball gespielt. Ich war 16, als ich mir in der Karate-Halle die ersten Breakdance-Moves selbst beigebracht habe – dank Youtube-Videos.“

Diesen visuellen Zugriff, den die Leute hatten, als sie früher durch den Hamilius gelaufen sind, gibt es nicht mehr. Auch diesen sozialen Kontakt gibt es nicht mehr. Wir wollen versuchen, das wieder zu ‚spreaden’.

Brandon Konrad

Eine Breakdance-Kultur hat es in Luxemburg also schon seit 40 Jahren gegeben – nur blieb sie für die große Masse von Anfang an in ihrem „Underground“ verborgen. Dies könnte sich jetzt endgültig ändern. Erst vor wenigen Wochen wurde die kleine Tanzfamilie bei den Kollegen von „Dance Atmosphere“ (dem Klub von Guy Rosen) aufgenommen – und ist demnach jetzt ein fester Bestandteil des Tanzsportverbands. Eine offizielle Anerkennung, die nun neue Türen öffnen soll. „Wir hatten bereits Kontakt mit dem COSL, um auch dort aufgenommen zu werden. Uns fehlt es an Betreuung. Wir haben weder Trainer noch Physiotherapeuten oder Fitnesstrainer. Wir sind weiterhin noch größtenteils auf uns selbst gestellt. Das soll kein Vorwurf sein, wir wollen die Dinge gemeinsam optimieren“, erklärt „B-Boy Be One“, Konrad.

Gleichzeitig hat Chimento mit seinem Unternehmen „Break Even“ in Beggen erste Erfolge gefeiert. „Wir bieten dort mehrere Kurse an. Das geht von Breakdance bis hin zu Fitness. Wir sind keine klassischen Fitnesstrainer, sondern eher Training-Buddies.“ Das ganz große Ziel, das in den Hinterköpfen des Duos steckt, ist es, irgendwann mal eine Nationalmannschaft auf die Beine stellen zu können. Denn Breakdance profitiert in anderen Ländern von einem regelrechten Hype: Vom Ursprung aus den USA über Deutschland oder Frankreich bis hin zu den asiatischen Staaten – überall wird (wieder) zu Hip-Hop-Tönen getanzt.

Das dynamische Duo: Brandon Konrad (l.) und Daryll Chimento
Das dynamische Duo: Brandon Konrad (l.) und Daryll Chimento Foto: Editpress/Alain Rischard

Das urbane Gefühl alter Tage wird in Luxemburg in neuer, moderner Form aufleben müssen. „Diesen visuellen Zugriff, den die Leute hatten, als sie früher durch den Hamilius gelaufen sind, gibt es nicht mehr. Auch diesen sozialen Kontakt gibt es nicht mehr. Wir wollen versuchen, das wieder zu ‚spreaden’“, beschreibt es Konrad. Er fügt hinzu: „Die Vorurteile gegenüber Hip-Hop bestehen zum Glück nicht mehr so, wie es früher der Fall war. Beim Breakdance kann es sein, dass viele der Sache eher skeptisch gegenüberstehen, weil es nicht etabliert ist. Deshalb wollen wir ihnen diese Angst nehmen.“ Oder, wie es Chimento dann mit einem großen Lachen formuliert: „Einige denken noch immer, wir würden den Boden wischen. Es bleibt eine artistische Tätigkeit. Man kann es mit einem Besuch in Museum vergleichen: Für den einen ist es ein Wow-Effekt, während sich der andere fragt, was das überhaupt darstellen soll.“

Doch es ist wesentlich mehr als das. Acht bis zehn Trainingsstunden pro Woche, regelmäßige Laufeinheiten und Muskelaufbau gehören zum wöchentlichen Basisprogramm des Duos. Trifft die nationale Lizenz rechtzeitig ein, werden sie die Luxemburger Farben Ende September in Louvain bei der Weltmeisterschaft vertreten. Es zu den Olympischen Spielen nach Paris zu schaffen – der große Traum, der den Stein vor zwei Jahren überhaupt erst ins Rollen gebracht hat –, scheint allerdings unrealistisch. Nur die 16 besten Tänzer der Welt werden sich qualifizieren. „Wir sind unter Zeitdruck“, wie es Konrad ausdrückt – eine Untertreibung.

Die Breakdancer wollen sich trotzdem nicht mehr aufhalten lassen. Denn für die beiden Antreiber geht es nicht nur um die Eigeninteressen. Die Jugendlichen für das Tanzen zu motivieren und eine neue Dynamik zu entfachen wäre für sie ebenfalls ein Erfolg. Ebenso ist von einem anderen Etappenziel die Rede: Mädchen und Frauen für die Disziplin zu begeistern – denn aktive „B-Girls“ kennen die beiden derzeit nicht. Selbst wenn ihre Generation die sportlichen Ziele aufgrund der fehlenden Struktur hinten anstellen muss. „Für einen Artisten hört der Weg dort auf, wo er es entscheidet. Das kann als Background-Tänzer in einem Shakira-Video sein oder bei einem großen internationalen Event …“ Möglicherweise also doch irgendwann als Luxemburger Vertreter bei Olympischen Spielen.

Lëtz Break in Tetingen

Zurückversetzen in die alten Zeiten des „Hamilius“ – das ist am 16. September in der Tetinger „Schungfabrik“ möglich. Dort wird nämlich zu den Hip-Hop-Klängen getanzt: Erst in der Vorrunde, später in den Finals mit internationaler Konkurrenz. Das lokale Event, das von „Break Even“ und dem Kayler Jugendhaus organisiert wird, soll dem Breakdance in Luxemburg eine nationale Visibilität verschaffen. Los geht es bereits um 13.00 Uhr. „Wir unterstützen dieses Projekt gerne“, erklärte Andy Wintringer vom Jugendhaus Kayl. „Es würde uns freuen, die Jugendlichen zu motivieren. Die Eltern werden sich mit ihren Kindern ein Bild machen können, um zu sehen, worum es sich eigentlich handelt.“
Zudem kann ein Besuch beim „Lëtz’ Break“ mit etwas Kultur verbunden werden: Nachdem es während der Sommerferien bereits wöchentliche Skateboard-Kurse in der Tetinger „Schungfabrik“ gegeben hat, können sich Besucher dort auch noch bis zum 1. Oktober die Ausstellung „Skéiteng Kälifornia“ ansehen.

„Freeze“ – das Stillhalten für den Fotografen
„Freeze“ – das Stillhalten für den Fotografen Foto: Editpress/Alain Rischard