Headlines

Ukraine-KriegUkraine greift Moskau erneut mit Drohnen an

Ukraine-Krieg / Ukraine greift Moskau erneut mit Drohnen an
Ermittler sammeln nahe Moskau die Reste einer ukrainischen Drohne ein Foto: AFP/Stringer

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

In der Ukraine schlagen quasi jede Nacht russische Raketen ein. Doch Kiew reagiert immer öfter mit Drohnen, die es gen Moskau schickt.

Walentsyn stammt aus der westukrainischen Stadt Lutzk und hat an diesem Dienstag im polnischen Exil gut lachen: „Drei Tage plante Putin ein, um uns Ukrainer zu besiegen und zur Kapitulation zu zwingen – doch nach anderthalb Jahren Heimat-Verteidigung schlagen wir nun zurück und greifen Moskau an“, höhnt der Rentner, der seit Beginn der russischen Invasion im polnischen Danzig als Flüchtling lebt. „Solche Schläge freuen mich, aber das Sterben geht weiter, es ist ein Jammer“, sagt Walentsyn dann nachdenklich. „Wie wird das bloß enden?“, fragt der Ukrainer.

In der Tat ist am Dienstagmorgen vor allem der Imageschaden Russlands hoch. Denn alle drei zivilen Moskauer Flughäfen mussten in den frühen Morgenstunden wegen eines ukrainischen Kampfdrohnen-Angriffs auf die Hauptstadt gesperrt werden. Dazu haben offenbar Teile zweier von der russischen Luftabwehr abgeschossener Drohnen erheblichen Schaden angerichtet und gar ein paar Russen verletzt.

Drohnen gegen Bomber

Wer hätte im März 2022 gedacht, dass die ukrainische Armee dereinst Moskau angreift? Die meisten Kommentatoren gaben der Ukraine nach sieben Tagen Krieg nur geringe Chancen gegen das damals militärisch rund zehnmal besser ausgerüstete Russland. Und noch vorige Woche riet ein hoher NATO-Beamter Kiew zum Verzicht auf gewisse Gebiete um des Friedens willen. Davon will der Ukrainer Walentsyn wie fast alle seiner Landsleute nichts wissen. „Keinen Zentimeter ukrainischen Bodens geben wir jemals ab“, wiederholt er ein geflügeltes Wort von Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj.

Die Ukraine zahlt Russland mit ihren Drohnen-Angriffen immer wieder mit gleicher Münze zurück. Es tötet dabei – im Unterschied zu Russland – selten und von Ausnahmen abgesehen schon gar keine unschuldigen Zivilisten. Doch sorgt es immer wieder für großen Wirbel, etwa wenn die Krim-Brücke getroffen wird oder große Munitions- und Treibstofflager weit im russischen Hinterland in die Luft fliegen. Am Wochenende gelang es den Ukrainern gar, in Soltse bei Pskow eine noch unbekannte Zahl hochmoderner Tu-22M3-Mittelstreckenbomber auszuschalten. Bilder gibt es bislang von einem auf dem Flugplatz ausbrennenden Bomber zu sehen. Die beschossene russische Luftwaffenbasis liegt indes nicht in der Nähe der bereits 2014 besetzten Krim, sondern über 1.500 Kilometer nördlich davon, nur rund 100 Kilometer von Estland und rund 200 Kilometer von Putins Heimatstadt St. Petersburg. So etwas tut weh im Kreml!

Selenskyj dankt Luxemburg

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Luxemburg am Dienstag mit einem Post auf der Plattform X, vormals Twitter, für seine „unerschütterliche Unterstützung“ gedankt. Er sei Luxemburg dankbar, schreibt Selenskyj, dass es sich der G7-Erklärung über Sicherheitsgarantien für die Ukraine angeschlossen hat. „Ich danke Luxemburg und seiner Bevölkerung für ihre unerschütterliche Unterstützung für die Ukraine, die auf gemeinsamen demokratischen Idealen und den gemeinsamen Interessen unserer euro-atlantischen Familie beruht“, beendet Selenskyj seinen Post.
Die sieben großen Industrienationen hatten die gemeinsame Erklärung zu Sicherheitszusagen für die Ukraine am Rande des NATO-Gipfels in Litauen am 12. Juli angekündigt. Luxemburg ist der Erklärung am Montag beigetreten, wie das Außenministerium dem Tageblatt bestätigte. Demnach geschah dies mit einer sogenannten „Note verbale“ der luxemburgischen Botschaft in Prag, die auch für die Ukraine zuständig ist. Parallel dazu hat die luxemburgische Botschaft in Washington ebenfalls eine „Note verbale“ an das amerikanische State Department gerichtet. (Red.)

Allerdings gibt es auch dort Gründe, sich ebenso die Hände zu reiben. So wurde Anfang der Woche klar, dass in der Ukraine weit weniger westliche Waffen, vor allem Leopard-II-Panzer, eintreffen, weil viele NATO-Mitglieder enttäuscht sind über die schleppende ukrainische Gegenoffensive. In drei Monaten wurden im Süden und Osten der Ukraine gerade einmal zehn Dörfer von den russischen Besatzern befreit. Nach der Blitz-Rückeroberung von Gebieten östlich der Millionenstadt Charkiw im September und dem Fall von Cherson im November 2022 hatte nicht nur in Kiew große Euphorie geherrscht, dass sich die Russen in diesem Jahr zumindest von der Landzunge auf die Krim wieder vertreiben ließen.

Dabei hatte man die Rechnung ohne die Besatzer gemacht. Diese mögen im Westen und in der Ukraine gerne als demoralisiert, schlecht geführt und ausgerüstet beschrieben werden, doch in Russland gibt es genügend Profis, die erbeutetes Gelände zu verteidigen verstehen.

Aus den Fehlern bei Charkiw wurden dazu Schlüsse gezogen und eben mehr als eine Verteidigungslinie gezogen. Im Süden der Oblast Saporischschja, wo sich die Hunderte Kilometer lange Frontlinie durch ebenes und kaum bewaldetes Gelände zieht, wurden zumeist gleich drei Verteidigungsgräben gelegt und diese durch Minenfelder gen Norden abgesichert. Dort stecken die Ukrainer nun seit drei Monaten an zwei bis drei Stellen praktisch fest, auch wenn die Kiewer Heeresführung immer wieder von Hunderten Metern Gebietsgewinnen erzählt.

Noch 120 Kilometer

Doch von dem gerade eingenommenen Dorf Robotyne im Süden von Orichiw sind es eben dennoch noch 120 Kilometer bis in die besetzte 150.000-Einwohner-Stadt Melitopol, die als Tor zur Krim und heute wichtigste Stadt der Landverbindung vom Donbas zur Krim gilt. Melitopol wiederum ist von den russischen Besatzern ebenso mit einem dreifachen Verteidigungsring umgeben worden. Das Asowsche Meer liegt von dort noch einmal 30 Kilometer südlich. Dies alles bedeutet hohe Opferzahlen, auch auf Seiten der Ukrainer.

Hätte die Ukraine die Lufthoheit in diesem Gebiet nördlich des Asowschen Meeres, wäre der Vorstoß einfacher, klar. Allerdings zu erwarten, dass gut 60 zumeist über 30 Jahre alte F-16 Kampfjets aus den Armeebeständen von Holland und Dänemark hier Wunder wirken, grenzt an zynische Naivität. Die F-16-Zusagen sind eine moralische Unterstützung für die Ukraine und seine Frontsoldaten im Süden. Doch Kiew selbst hat in der Nacht zum Dienstag zugegeben, dass man im Moment nur etwa die Hälfte der nötigen Piloten in den NATO-Raum verlegen könne, um innerhalb von vier bis fünf Monaten mit der F-16 fliegen zu können. Selenskyj hat erreicht, was er seit langem gefordert hatte, doch die Wunder in der Schlacht um die Ukraine geschehen anderswo.

rcz
22. August 2023 - 21.11

Mit Taurus wird es bessere Angriffe geben können!