150 Millionen für die Branche
Mitte dieses Jahres waren die Auftragsbücher vieler Bauunternehmen nicht mehr gut gefüllt. Die hohen Energie- und Rohstoffpreise sowie die gestiegenen Zinssätze machen ihnen zu schaffen. Mit einem 150 Millionen schweren Maßnahmenpaket will die Regierung der Branche über die schwere Zeit hinweghelfen. „Die Baubranche befindet sich in einer Talsohle und die Perspektiven für 2023 und 2024 sind nicht gut“, sagte Wirtschaftsminister Franz Fayot (LSAP) während einer Pressekonferenz am 20. Juni. „Dieses Konjunkturtief gilt es zu überwinden.“ Die staatlichen Millionen sollen dabei helfen, eine „Hebelwirkung“ zu erzielen, um somit zusätzliche private Investitionen zu mobilisieren, so die Überlegung.
Die eingesetzten 150 Millionen Euro teilen sich auf in 100 Millionen für die vom Staat umgesetzten Maßnahmen, 10 Millionen für die Unternehmen, 25 Millionen für die Gemeinden und 15 Millionen für die Haushalte. „Hauptziel der Maßnahmen ist eine Stärkung der schwächsten Firmen durch Arbeit und Aufträge von den Gemeinden und Staat“, erklärte Fayot.
Dazu zählt eine stärkere finanzielle Unterstützung beim Bau, der Modernisierung und der Renovierung von Kinderkrippen, „Maisons relais“, Jugendhäusern und Betreuungseinrichtungen für Familien. Beispielsweise wird der Bau von „Maisons relais“ künftig mit 15.000 Euro pro Betreuungsplatz bezuschusst – statt bisher 10.000 oder 12.500 Euro. Gleichzeitig seien drei Projektausschreibungen für den Bau neuer Einrichtungen oder zur Erweiterung des bestehenden Angebots geplant. Diese müssen bis Ende 2023 eingereicht werden und die Arbeiten im Laufe des Jahres 2024 beginnen.
Bausektor warnt vor historischer Krise
„Die Situation ist ernst“, sagte Tom Wirion, Direktor der Handwerkskammer, während einer Pressekonferenz am 7. Juli. „Wir stehen erst am Anfang. (…) Für das Bauhandwerk ist die Lage dramatischer als nach der Finanzkrise von 2008. (…) Wir können nicht bis auf eine neue Regierung warten.“ Konkret wünschen sich die Unternehmen, dass die von Staat und Gemeinden angekündigten Projekte und Ausschreibungen nun schnellstens tatsächlich kommen sollen, sagt Patrick Koehnen von der „Fédération des artisans“. Bereits angekündigte Maßnahmen wie etwa das 150-Millionen-Euro-Packet von Ende Juni begrüße man, sehe das aber nur als „ersten Schritt“. Man befürchtet, „dass das alles nicht schnell genug gehen wird“.
Dabei stehe man erst am Anfang der Krise. Aktuell seien Bauingenieurwesen und Rohbau betroffen. Firmen, die beispielsweise im Innenausbau beschäftigt sind, hingegen noch nicht – „doch das wird noch kommen“, warnte Paul Nathan, Vizepräsident der „Chambre des métiers“. „Wir müssen mit einem schwierigen Jahr 2024 rechnen.“ Dabei stehe viel auf dem Spiel: Im Bauwesen sind rund 4.000 Firmen mit 60.000 Angestellten (davon ein Drittel im Wohnungsbau) aktiv, unterstreicht er. Da man aber nur auf Nachfrage, auf Bestellung, arbeite, „bedeutet dies nichts Gutes für die Beschäftigung“. Einer eigenen Schätzung zufolge könnten bis zu 4.600 Jobs „bedroht“ sein. Bei den Staatsfinanzen riskiere ein Loch von mehr als 300 Millionen Euro zu entstehen.
Treiben niedrige Gehälter Wohnungspreise nach oben?
„Es ist nicht auszuschließen, dass der Mangel an Arbeitskräften auf eine Absprache zwischen den Arbeitgebern zurückzuführen ist, um die Löhne niedrig zu halten und die Einstellung weniger attraktiv zu machen“, schrieb die Luxemburger Wettbewerbsbehörde Mitte Juli im Rahmen einer Studie über die Baubranche. In der Folge würde die Baukapazität und damit die Zahl der neu gebauten Wohnungen verringert, was dann zu höheren Verkaufspreisen führen könnte. Zur Begründung der Aussage führt die Behörde an, dass das Baugewerbe hierzulande einer der Sektoren mit den niedrigsten Durchschnittskosten pro geleisteter Arbeitsstunde ist. Dies vor dem Hintergrund, dass die durchschnittlichen Kosten pro Arbeitsstunde in diesem Bereich in den drei Nachbarländern höher sind.
Zudem lag die durchschnittliche Wachstumsrate der Kosten pro Arbeitsstunde im Bauwesen zwischen 2020 und 2022 bei 3,2 Prozent und damit unter dem Durchschnitt aller Sektoren (3,5 Prozent), so der Bericht weiter. „Das bedeutet, dass sich die Arbeitskosten im Vergleich zu anderen Branchen unterdurchschnittlich entwickeln.“
Bei den Handwerkern derweil ist man nicht erfreut über die Aussagen, die in diesem Bericht gemacht werden. „Ginn et Fakten, Här Minister, déi op kriminell Aktivitéiten, Ofsproochen oder soss eppes hiweisen?“, fragt Romain Schmit von der „Fédération des artisans“ auf Twitter an Wirtschaftsminister Franz Fayor gerichtet. „Wa jo, #NameAndShame! Wann net ass et alt eng Sau méi, déi duerch d’Duerf gedriwwe gëtt …“
„Chambre des métiers“ reagiert
„Die Wettbewerbsbehörde sorgt leider für Verwirrung, wenn sie die Gewinnspannen der Bauträger mit den Löhnen im gesamten Bausektor in Verbindung bringt, obwohl die Geschäftsmodelle der einen und der anderen Seite stark voneinander abweichen“, lautet ein Kritikpunkt der Handwerkskammer an der Studie der Wettbewerbsbehörde. „Bauträger kaufen Bauland und entwickeln dieses, während die dafür nötigen Arbeiten an die Handwerksbetriebe ausgelagert werden“, erklärte Norry Dondelinger von der „Chambre des métiers“ am 1. August gegenüber dem Tageblatt.
In Luxemburg vereinen jedoch viele große Akteure auf dem Wohnungsmarkt die Aktivitäten von Bauträger, Bauunternehmen und Immobilienverkauf in einem Unternehmen. 13 der 16 Bauträger, die auf den Fragebogen der Wettbewerbsbehörde geantwortet haben, vereinen unter ihrem Dach auch ein Immobilienunternehmen. Norry Dondelinger von der „Chambre des métiers“ räumte ein, dass einige Firmen die Tätigkeiten unter einem Dach vereinen. Ein Großteil der 4.300 Handwerksbetriebe im Bauwesen seien jedoch reine Handwerksbetriebe. „Es ist eine Minderheit, die mehrere Aktivitäten unter einem Dach vereint.“ Auch seien die Gewinnmargen zwischen „promoteurs“ und Handwerksbetrieben sehr unterschiedlich.
Die Wettbewerbsbehörde hätte demnach zu dem Schluss kommen müssen, dass die Handwerksunternehmen nicht von der Entwicklung im Immobiliensektor profitiert haben. „Die Immobilienpreise sind aufgrund der starken Zunahme der Grundstückspreise stark gestiegen, während die Baukosten in etwa mit der Inflationsrate Schritt gehalten haben“, erklärte die CDM. Ihr zufolge hätten viel eher die schlechte Landesplanung und die „chronische Unterschätzung der wirtschaftlichen und demografischen Entwicklung“ Auswirkungen auf den heutigen Immobiliensektor.
Cardoso-Insolvenz und Endzeitstimmung?
Wenige Tage vor dem „Congé collectif“ am 28. Juli verkündete die Baufirma Manuel Cardoso ihre Insolvenz. Davon waren 120 Arbeitnehmer betroffen und die Frage stellte sich, ob es sich um einen Einzelfall handelt oder es der Beginn einer handfesten Krise ist. Die Gewerkschaften sehen noch keine Endzeitstimmung. „Nach der Bekanntgabe des Konkurses von Cardoso haben sich allein bei mir zwölf Betriebe gemeldet, die daran interessiert sind, Leute einzustellen“, so Jean-Luc De Matteis vom OGBL, der nicht das Gefühl hatte, dass die Arbeiter um ihre Existenz bangen. „Natürlich waren sie geschockt und fragen sich, wie sie die kommenden Monate finanziell überstehen. Es ist definitiv keine einfache Situation, dennoch weiß ein großer Teil der Belegschaft, dass er im Herbst wieder einen neuen Arbeitgeber haben wird.“
Bei der „Fédération des artisans“ schätzt man die Lage kritischer ein und warnt vor der ausbleibenden Arbeit. „Bis Ende des Jahres werden die meisten Betriebe noch Arbeit haben. Allerdings muss man im September bereits die Aufträge für 2024 bekommen“, sagt Patrick Koehnen, der stellvertretende Generalsekretär der FDA. Bleiben die Auftragsbücher im September leer, werde es kritisch. Von Endzeitstimmung will Koehnen zwar ebenfalls nicht sprechen, allerdings sei die Lage „sehr ernst“ und es müsse gehandelt werden.
Die Gewerkschaften legen den Fokus eher auf die stockenden Verhandlungen für einen neuen Kollektivertrag für den Bausektor. „Es kann nicht sein, dass sich Unternehmer und Bauträger jahrelang eine goldene Nase verdienen, ohne etwas an die Arbeiter abzugeben.“ Die Arbeitgeber wollen den aktuellen Kollektivvertrag um ein Jahr verlängern und erst dann neu verhandeln. Hierfür sehen die Gewerkschaften aber keinen Grund.
„Unterstellungen“ und „Spekulation“
Die Studie der Wettbewerbsbehörde sorgt auch noch Anfang August für erhitzte Gemüter. Die „Fédération des artisans“ richtet sich in einem offenen Brief an Wirtschaftsminister Franz Fayot (LSAP). Fayot reagierte in einer offiziellen Stellungnahme auf den Bericht der Luxemburger Wettbewerbsbehörde über den nationalen Immobilienmarkt. Darin warf er Bauträgern und Immobilienagenturen vor, wesentlich zur Preisexplosion am Immobilienmarkt beigetragen zu haben. Die „Fédération des artisans“ fordert den Minister nun auf, seine Aussagen zurückzuziehen oder Beweise vorzulegen. „In unseren Augen wurde die Grenze zwischen objektivierbaren Aussagen und unbasierten Spekulationen und Unterstellungen gleich ein paar Mal überschritten“, so die Föderation. Der Wirtschaftsminister denkt aber nicht daran, seine Aussagen zurückzuziehen und erklärt, dass er damit weder die Bau- noch die Handwerksbranche gemeint hätte, sondern die Bauträger.
Arbeitgeber warnen, Gewerkschaften sprechen von „Provokation“
Das nächste Presseschreiben lässt nicht lange auf sich warten. Eine Woche nach dem offenen Brief schreiben das „Groupement des entrepreneurs“ und der Handwerksverband („Fédération des artisans“) in einer Mitteilung, die gesamte Baubranche werde in den kommenden Monaten „mit einem drastischen Rückgang ihrer Aktivitäten konfrontiert sein“. Die Zahl der Konkurse von Bauunternehmen sei bereits jetzt auf einem „traurigen“ Rekordniveau angekommen, den es seit 1995 in dieser Form nicht mehr gegeben hätte. Aufgrund dessen haben bereits jetzt beide Verbände die Gewerkschaften eingeschaltet, um schnellstmöglich über einen sektoriellen „Plan de maintien dans l’emploi“ zu verhandeln und gegebenenfalls die Diskussionen auf die Ausarbeitung eines Sozialplans für die Branche auszuweiten.
Die beiden Gewerkschaften OGBL und LCGB hingegen verstehen nicht, warum die Verbände das Presseschreiben zu diesem Zeitpunkt veröffentlicht haben, da ein Zusammentreffen für Anfang September geplant sei. Hier soll über einen neuen Kollektivvertrag sowie die aktuelle Situation im Bausektor gesprochen werden. Robert Fornieri vom LCGB spricht mit Bezug auf die mögliche Planung eines sektoriellen Sozialplans von einer „Provokation“ der beiden Arbeitgeberverbände. Es sei nun an der Zeit, dass sich die Verbände, die Ministerien und die Gewerkschaften zusammensetzen, um eine Bestandsaufnahme vorzunehmen und gemeinsam über eventuell umsetzbare Maßnahmen zu entscheiden. Laut Jean-Luc De Matteis vom OGBL würde die ganze Diskussion rund um den Bausektor durch den Bericht der Wettbewerbsbehörde über den nationalen Immobilienmarkt „aufgebauscht“ werden. Es ginge nicht darum, Investoren und Bauträgern weitere Hilfen zuzusichern, sondern darum, dass sie Privatleuten dabei helfen, sich in Luxemburg wieder etwas kaufen zu können. Zudem sei man nicht damit einverstanden, „Spielball zwischen Regierung und Investoren“ zu sein, so De Matteis.
Verstehe die Chose nicht ganz. 1. Firma zur Fassadensanierung im März, machen das Ende September wenn alles klappt. 2. Firma zur Mauersanierung und Garagenzufahrt, wahrscheinlich noch vor Weihnachten. 3. Firma zur Installation von Wärmepumpe, vor Oktober 2024 wird nix.